Kurzentschlossener Besuch vom Priorato und Weinfreund Christian Pesch aus Meerbusch und die Frage: Was stelle ich auf den Tisch? Es gibt ja immer offene Verkostungsbaustellen, die sich für solche Gelegenheiten geradezu anbieten.
Ich habe mir überlegt, die vier kleinen 2008er aus meiner Prioratführerselektion blind zu testen, als da wären:
Celler de l´ Encastell; Marge; Porrera; 2008 rot
Celler Cecilio; Cecilio Negre; Gratallops; 2008 rot
Blai Ferré i Just; Billo; Gratallops; 2008 rot
Mas Garrian; Clos Severí Jove Roure; El Molar; 2008 rot
Klaus-Peter Werner öffnete zeitgleich in Ulm ebenfalls diese Weine mit Ausnahme des Billo, den er nicht in seinem Keller hatte. Also gibt es gleich eine spannende Simultanprobe…
Es wurde dann doch recht spät, Chris trudelte gegen 22.30 Uhr ein, wie er es vorausberechnet hatte bei seinem Anruf. Zur Begrüßung tauchte er kurz in die Welt der Cabernet Francs von der Loire ein (ich hatte noch zwei Restschlücke von am Vortag geöffneten Weinen) und ließ sich sein Steak vom ausgelösten Damwildrücken schmecken…
Dann wurde es ernst, er wusste ja überhaupt nichts und war auch eher gedanklich bei 2006 als bei 2008 unterwegs. Ich wollte auch keinen vorzeitigen Tipp abgeben, kenne ich doch seine sprichwörtliche „Aversion“ gegen Cecilio Negre und auch Billó – er bevorzugt in dem Segment halt andere Weine als ich… Und die Doppelblindprobe hat seine Präferenzen auch sehr schön nachgewiesen, wobei er den Weinen dennoch Respekt zollte…
Ich hingegen war von allen Weinen recht angetan und fand sie deutlich besser als erwartet. Kleine Prioratos aus 2008 – gebt acht! Das war für die aufgerufene Kategorie schon gutes Kino.
Ich hatte die Weine gegen 19.00 Uhr geöffnet, gegen 21.00 Uhr hat Yvonne uns dann was in die Karaffen gefüllt, wo der Wein noch mal fast 2,5 Stunden atmen konnte, was zweifelsohne gut war – die Dinger gieren nach Luft und ich denke, da geht in den nächsten Tagen noch mehr. Wir haben zwei * zwei blind getrunken und ausgewertet.
Karaffe 8:
Offene, dunkle, verhältnismäßig noble Nase, Schwarzkirsche, Brombeere, etwas Bitterschokolade, eine tolle Frische bei mittlerem Körper. Schöner Nachhall – sehr gradlinig und sehr trinkig. Von mir sehr gute 92+ Th.
Chris gibt 88 CP und wir treffen und damit bei 90+ und das ist Platz 4
Karaffe 11:
Noch leicht verschlossene Nase, kirschig, fruchtig und vom Körper her zunächst leicht bis mittel wirkend, aber je mehr Luft er hat, desto offener wird die Nase und er frisst sich regelrecht Kraft an. Am Gaumen eine schöne Frucht, ausgewogen und komplex. Ohne voneinander abgeschrieben zu haben zählen wir beide haargenau in der gleichen Wortwahl auf: tolle mineralische Frische und Marzipankirschen…
Von mir exzellente 93+ Th.
Chris gibt 92+ CP, damit Schnitt von 92,5++ und das ist Platz 1
Karaffe 7:
Anspringende Nase, sehr würzig und an diese Schoko-Kirsch-Trüffel Pralinen erinnernd. Am Gaumen sehr voll und für die Kategorie Basiswein sehr viel Kraft und Stoff. Begeisterte exzellente 94+ Th. und mein primus inter pares…
Chris gibt 90 CP – da sind wir bei 92+ im Schnitt und das ist der zweite Platz.
Karaffe 10:
Kirschbetonte, offene Nase, auch etwas Cassis, sehr viel versprechend. Am Gaumen zunächst Schieferstaub und dann geht die Post ab, eine schöne reife Frucht und wie der Wein zuvor enorme Kraft für einen Basisroten aus einem nicht mit Vorschußlorbeeren gesegneten Jahr. Der Wein wirkt auf mich wie diese kleinen Schlammvulkane in Soos – mal verschlossener vor sich hin blubbernd, mal offen sprudelnd… Gefühlt hätte ich ihn gleichauf mit Karaffe 11 gesetzt, gerechnet komme ich aber sogar auf dieselbe Punktzahl wie bei Karaffe 7 – exzellente 94+ Th.
Für Chris nur 87 CP Punkte wert, damit 90,5+ als Durchschnitt und Platz 3.
Nach meiner Kenntnis von Christians Ablehnung des Cecilio Negre müsste es genau dieser hier sein, aber ich vermute fast noch eher Karaffe 7 mit seiner betörenden Nase und tippe bei der 10 eher auf den Schwiegersohnwein Billo.
Bei 8 vermute ich den Marge, da dieser öfter in Vergleichsverkostungen rumzickt, aber soll dann der Severí so gut sein? Am Besten ich lasse gar keinen Tipp wirklich ab und freue mich über vier gelungene und günstige Weine.
Chris ist vermutungsmäßig bei Sachen wie Pardelasses 2006 (11) und Elia 2007 unterwegs, vermutet aber für Wein 7 instinktiv den Billo, den er aber aus 2008 auch nie vorher im Glas hatte. Auf seine beiden alten Bekannten Clos Severí und Marge kommt er überhaupt nicht.
Wir kosten nochmals blind nach dem Ranking:
Karaffe 8:
An der Nase jetzt nasse frische Sägespäne und Bounty, aber am Gaumen besser als in der Nase, macht schon durchaus Spaß. Wir bleiben bei unseren Noten
Enddurchschnitt 90+ – Platz 4
Karaffe 10:
Die Nase wird immer animierender und auch am Gaumen ist er mir eine wahre Freude.
Ich bleibe bei meinen Punkten, Chris sattelt einen drauf.
Gesamtschnitt 90,75+ und Platz 3
Karaffe 7:
Da steppt der Bernburger Nasenbär – im Gegenzug zu Chris ist mir diese barocke Opulenz nicht zu viel. Er legt für mich noch einen Punkt drauf, Chris gibt einen nach unten ab.
Der Schnitt bleibt damit unverändert bei 92+ Platz 2
Karaffe 11:
Auch dieser Wein bekommt von mir tollen Applaus und einen Punkt mehr als in der ersten Runde – er ist dankbar für jedes Gramm Luft…
Chris bleibt bei seiner Wertung.
Der Schnitt geht auf 92,75++ und der Wein bleibt Platz 1.
Karaffe 8 war:
Mas Garrian; Clos Severí Jove Roure; El Molar; 2008 rot
Hat für mich seinen Eindruck von der Musterflasche bestätigt. Auch als Letzter dieser Runde bleibt der Wein für kleines Geld empfehlenswert.
Karaffe 10 war:
Celler Cecilio; Cecilio Negre; Gratallops; 2008 rot
Hat ebenfalls den Eindruck der Musterflasche bestätigt und ist für mich nach wie vor der beste Cecilio Negre. Erstaunliche Fülle für den Jahrgang und für einen Basiswein. Braucht viel Luft und ist entsprechend dankbar dafür.
Karaffe 7 war:
Blai Ferré I Just; Billo; Gratallops; 2008 rot
Dafür dass ich schon länger nicht mehr an diesem Wein naschte, hat er sich mehr als nur ordentlich gemausert. Kann man als Underdog bei einer Probe mit deutlich hochwertigeren Weinen einschleusen. Wer für barocke Schönheiten nicht immer sonstwas hinlegen will, der ist hier für´s Geld gut bedient. Bei aller Kraft, die dieser junge Nasenbär zeigt, mangelt es dennoch nicht an Frische!
Karaffe 11 war:
Celler de l´ Encastell; Marge; Porrera; 2008 rot
Ein Wein, der ebenso viel Luft will – er frißt sich dann wahrhaftig Kraft und Tiefe an – das hab ich so noch nicht erlebt… Hatte ich beim ersten Schluck noch den Eindruck eines leichten Körpers, so wurde er mit jedem Schluck gehaltvoller. Habe ich vor Ort in Porrera wohl noch unterschätzt – glücklicherweise hab ich ihn dann dennoch eingekauft. Wenn die Hundemeute erst mal auf ihn aufmerksam geworden ist, könnte er ebenso rasch aus meiner Selektion gehetzt werden, wie es damals beim 2006er der Fall war. Chriz hatte schon den richtigen Nachkaufriecher, auch wenn er erstmal nicht auf den Wein getippt hatte, so war es doch sein Sieger.
Was sich jetzt für mich als Frage stellt – haben wir 2008 doch ein wenig unterschätzt bislang? Diese vier kleinen Prioratos hier schlagen sich jedenfalls mehr als wacker!
Alle 4 Weine sind noch ausreichend gut in meiner Prioratführerselektion vertreten und lassen sich einfach per Mail oder Anruf bestellen.
Mas Garrian; Clos Severí Jove Roure; 2008 rot
Preis pro Flasche (incl. 19% MwSt.) 11,00 €
Netto 9,24 € 14,67 €/l.
Celler Cecilio; Negre; 2008 rot
Preis pro Flasche (incl. 19% MwSt.) 13,00 €
Netto 10,92 € 17,33 €/l.
Blai Ferre I Just; Billo; 2008 rot
Preis pro Flasche (incl. 19% MwSt.) 14,00 €
Brutto 11,76 € 18,67 €/l.
Celler de l´ Encastell; Marge; 2008 rot
Preis pro Flasche (incl. 19% MwSt.) 17,00 €
Netto 14,29 € 22,67 €/l.