Die guten Dinge sind heute nicht mehr so leicht zu finden.
Seit etlichen Jahren habe ich nun plötzlich an den Adventswochenenden frei, ungewohnt ist das und natürlich fehlen auch die Einnahmen aus den Weihnachtsmärkten – aber die Einnahmen fehlen 2016 sowieso…
Die waghalige Idee, statt des Ausharrens in der Folterkammer der Burg Rabenstein auf Gäste, die statt Folter meine Weine oder mein Olivenöl wollen, nun ersatzweise meine eigene Veranstaltung in Coswig, eine Autobahnabfahrt weiter für die Berliner oder zwei weniger für die Leipziger machen zu wollen, scheiterte kläglich, nicht einer meiner Berliner oder Leipziger Kunden fand es gut und wichtig, sich auf den Weg zu machen. Obwohl ich gleich 5 Winzer zu Besuch hatte.
Nur die abendliche Sause unter Weinfreaks rettete dieses Wochenende, warum aber von den auf der Burg Rabenstein treuen Kunden nicht einer nach Coswig fand, bleibt ungeklärt. Verbuchen wir es unter Unternehmerrisiko… und als negative Erfahrung.
Gestern lockte das Wetter – nicht schön, aber vielleicht besser als all das, was in der nächsten Zeit so kommt, bei bewölkten 9° C auf´s Rad. Je tiefer ich in die Flämingwälder hineinfuhr, desto größer wurde die Anziehungskraft der Burg Rabenstein – Mythos und Legende in meinem Leben – in vielerlei Hinsicht. Die letzten Jahre – in der Folterkammer – war es immer ein irgendwie auch Nach-Hause-Kommen in das alte Gemäuer – und von Jahr zu Jahr wurde es hier besser für mich, am Ende kamen Leute sogar wieder, weil sie gucken wollten, ob ich wieder da bin, um dann wieder mit dem Öl der frischen Ernte ausgestattet oder mit ein paar Flaschen Wein für den speziellen Moment von dannen zu ziehen…
All die Frotzeleien mit denen, die nur die Folterinstrumente gezeigt bekommen wollten:“Wenn dein Papa zwei Stunden auf diesem Stuhl (dem mit den Nägeln) sitzen bleibt, bekommt deine Mutti eine Weinprobe gratis“ (Mutti interessierte sich für die Weine, Papa für die Folterinstrumente und das Kind hatte große Angst „Das tut doch ganz dolle weh!!!!“… )
Oder die Mutter am Samstag Nachmittag mit dem quengelnden Kleinen:“Was würde es kosten, wenn sie den Quengel hier ins Schandbrett nehmen?“ Ich geistesgegenwärtig „ 20 € die Stunde!“
„Gut, ich hole ihn Sonntag zum Feierabend wieder ab. Gibts Langzeitrabatt?“ „Ist verhandelbar…“ Schwupps, wurde der Kleine ganz ruhig:“Mama, ich bin jetzt ganz lieb!!!“
Oder die witzigen Bauern aus den umliegenden Dörfern, wie etwa dieser hier: „Wollen Sie nicht wenigstens mal eine Olive kosten“ „Nee, danke, ich trinke keinen Alkohol“
Dieses Jahr nun der Abgesang, das Kapitel Burg Rabenstein, so wie wir es kennen und liebten, es ist beendet. Letztes Jahr bereits sagte die Ersatz-Chefin:“Nächstes Jahr nicht mehr“ Sie wollten nur ein Wochenende lang einen Mittelalter-Weihnachtmarkt machen – mit für mich aberwitzug hohen Standgebühren. Ich bin raus… Aber auch den wird es am Ende nicht mal mehr gegeben haben…
Schon das Backhaus ist verschlossen, keine Rauchfahne aus dem Schornstein mehr, die stets das Leben ankündigten. Ingo, mein alter Freund aus Jugendzeiten, den ich nach Jahrzehnten wiederfand, hat aufgegeben. Nichts mehr los hier oben, es rechnet sich nicht mehr…
Die Leute strömen wie eh und je zur Burg und jeder wundert sich – Kein Weihnachtsmarkt mehr? Dabei war auf der Internetseite der Burg wie in den Jahren zuvor damit geworben worden… Was dann eigentlich von den Burgbetreibern bzw. der neuen Geschäftsführerin eigentlich so richtig fies ist… Wo letztes Jahr durch das Fehlen von Fritz nur Chaos herrschte, wurden dieses Jahr die Leute regelrecht verarscht – Tschuldigung des harten Wortes, aber das ist wohl nicht gelinder auszudrücken…
Fritz finde ich, „verbannt“ im Kassenzimmer für den Turm, er freut sich über das Wiedersehen und erzählt, wa da so abging in den letzten Jahren. Zugrunderichten einer Institution durch feinstes Mobbing – ihr ahnt es schon… und damit das sich selbst Zugrunderichten der Burg als kulturelle und gastronomische Instanz.
In der knappen halben Stunde kommen vier Gruppen von Leuten, die auf den Turm wollen – und jeder fragt nach dem Weihnachtsmarkt – und alle verweisen sie auf die Ankündigung im Internet…
Beschämend!
In der Tordurchfahrt unterm Turm hängt ein offener Brief der Belegschaft des Restaurants, der das Bedauern ausdrückt, dass der 26.12. der letzte Tag sein wird, an dem diese Belegschaft Gäste empfangen wird. Ein Name in der Aufzählung fehlt – der von Fritz.
Er und niemand anderes war es, der durch sein umtriebiges Verhalten jahrelang dafür gesorgt hat, dass der Laden hier brummt, der Künstler her holte, Veranstaltungen organisierte, versuchte, das gastronomische Niveau weit über dem Regionaldurchschnitt anzusiedeln… Und nun Grabesstille…
Der Nebel senkt sich über der Burg, Der Wind pfeift wie eh und je durch das Burgtor, aber es ist kein Wind, der fröhliche Gäste hinein treibt in eine belebte Burg, es ist der eisige Wind der Einsamkeit.
Der Rückweg mit dem Rad wird zur Tortur, es beginnt zu nieseln, die Einstürzenden Neubauten machen Tabula Rasa in meinem Kopf, noch nie erschien mir der Rückweg von der Burg so lang, so quälend, so voller Tristesse.
Bilder in meinem Kopf von Apricus-Feiern und Hauptversammlungen dort auf der Burg, von den Momenten, als ich dort Wein und Öl verkaufte und abends dort schlafen durfte, um nicht den weiten Weg zurück nach Bernburg machen zu müssen, Keimzeit – Konzerte, bei denen ich Wein an begeisterte Leute ausschenkte, Mein 50. Geburtstag und die nächtliche Party dort, das tolle Nachtbuffet des Kochs aus dem Elsaß, der Advent mit Jaume Roca von Ficaria Vins… und überall und immer der umtriebige Fritz, der alles im Griff hatte und der Seele und guter Geist der Burg war – leider steht und fällt so etwas eben mit einem – dem entscheidenden Kopf…
Und deswegen gilt mein Dank für all die lebensbereichernden Momente dir, lieber Fritz. All diese schönen Momenten werden in meinem Kopf haften bleiben, nicht jene Radtortur gestern…