Nach der nächtlichen Verkostung bei Merum Priorati bin ich dann recht zielstrebig nach Sant Antoni hoch und habe mich noch mal kurz lang gemacht, bevor mit dem Samstagmorgen ja gleich das nächste Verkostungshighlight wartet.
Obwohl ich die kürzeste Nacht hatte, habe ich den Eindruck, dass ich an diesem Morgen besser drauf bin als meine beiden Reisegefährten. Kaffee tut dann sein Übriges und bald schon lassen wir uns abrollen und fahren über den Paß, der Porrera und Cornudella verbindet und biegen dan ab in Richtung Poboleda.
Heute wird ein lange gehütetes Geheimnis gelüftet, erstmals werden wir das Mas Perinet sehen.
Mas Perinet ist eines der Projekte, die man als überambitioniert bezeichnen muß, in der Zeit des großen Aufbruchs im Priorat wurden hier wie auch bei Cal Grau, Ferrer I Bobet oder Mas Alta gigantische Summen investiert, um große Landstriche umzugestalten, zu terrassieren, aufzureben – mit dem Ziel, neue Statussymbolweine zu kreieren. Eine Bodega, modernsten Luxus zeigend, verrät, dass man viel Geld in die Hand genommen hat, um die Show abzurunden…
Während aufgrund kluger Önologen – Köpfe bei Projekten wie Ferrer I Bobet oder Mas Alta wirklich gigantische Weine gezaubert wurden, dümpelten Cal Grau und eben auch Mas Perinet mit mittelmäßigen, aber überteuerten Spitzenweinen von Anfang an so vor sich hin. Besuchsanfragen meinerseits für den Prioratführer wurden abgelehnt – man ahnte schon, dass der überdimensionale Luxus in den Bauwerken nicht mit den Weinen korrelieren konnte und wollte sich vielleicht nicht dafür schämen müssen – oder aber man meinte, es einfach nicht nötig haben zu müssen. In der beginnenden Wirtschaftskrise waren das die ersten Projekte, die ins Straucheln gerieten und die aufgegeben wurden.
Während Cal Grau schnell mit wechselvoller Geschichte weiterbetrieben wurde – Zwischenintermezzo Agnès de Cervera und nun wieder ein Neustart der alten Eigentümer mit ambitioniertem Önologen, verfiel Mas Perinet nach dem Aus zusehends. Es gab zwar Mieter, die Teile des Kellers zur Produktion ihrer eigenen Weine nutzten, wie Roca de les Dotze, aber es gab niemanden, der die riesigen Weinberge und auch die große Kellerei übernehmen wollte. Zu riesig das ganze einstige Vorzeigeprojekt Mas Perinet…
Die Weinberge wurden über Jahre nicht mehr gepflegt, irgendwann bekamen die benachbarten Winzer Angst wegen sich ausbreiten könnender Rebkrankheiten. Dieser Zipfel um Perinet, Mas d´ en Blei und Razzmatazz gehört zwar verwaltungstechnisch zur Gemarkung der Gemeinde La Morera de Montsant, aber Poboleda liegt unmittelbar angrenzend und Winzer aus Poboleda wären neben den genannten „Zipfelnachbarn“ auch die Leidtragenden. So tat man sich zusammen und die Gemeinde Poboleda entsandte Gemeindemitarbeiter, um die dringendst notwendigen Weinbergsarbeiten zu erledigen.
2014/2015 kamen dann Gerüchte auf, es gäbe endlich einen neuen Investoren. 2016 wurde erstmals zur Verkostung ViDArt eingeladen und in diesem Jahr sind wir als Prioratführerteam nun mit dabei, um einerseits zu gucken, was sich hier tut und natürlich auch um diese letzte Bastion, in der wir noch nicht gewesen sind, einzunehmen, aber auch um die Weine von Winzern aus Poboleda und La Morera zu verkosten, die teilweise nirgends sonst in diesem Jahr ausstellen.
Der Name ViDArt it dabei eine Anspielung auf die Verbindungen zwischen Wein und Kunst. Es wird eine musikalische Aufführung als Auflockerung des Verkostungsprogrammes geben, aber auch eine Ausstellung moderner Malerei, in diesem Jahr mit Werken von Eduardo Duran, den wir ja als Winzer bei Germans Duran kennen.
Der neue Eigentümer, eine Investorengruppe aus Amerika, hat den Namen sanft umbenannt, der Betrieb heißt nun Perinet Winery, da sind wir natürlich ebeno gespannt auf die Weine, wie auf die der weiteren hier ausstellenden Winzer.
Schon der erste Wein im Glas, der ganz neue erste Weißwein von Terres de Vidalba deutet an, dass wir an diesem Vormittag auf hohem Niveau unterwegs sein werden. Am Ende werden wir einige Überraschungen verbuchen, gerade auch beim Thema Weißweine. Natürlich werden wir auch wieder gehörig mit der Schwierigkeit des 2015er Jahrganges konfrontiert, was da heißt, sich mit Unmassen an Tannin auseinander setzen zu müssen, aber zum Glück werden auch genügend Weine präsentiert, die bereits aus trinkreiferen Jahrgängen kommen und die aktuell bei den Kellereien im Verkauf sind. Natürlich gibt es den sympathischen Mix von Basis bis zur Spitze, einige haben auch das komplette aktuelle Portfolio ausgestellt.
Es ist entspannt genug, durch das Weinprogramm zu kommen, lediglich am Tisch von Els Cups in einer der beiden Ecken des Saales (die, in die wir erst spät nach zwei Dritteln der Zeit gucken) ist gähnende Leere – vielleicht aber war sie das die ganze Zeit über. Schade, denn auch hier hatten wir ja von einem Neustart dieses „historischen“ Erzeugers aus Poboleda erfahren.
Viel Zeit nehmen wir uns natürlich, um auf Tuchfühlung mit dem sehr sympathischen neuen Hausherren, der Perinet Winery zu kommen. Der Neustart erfolgte vor 2,5 Jahren, als sich amerikanische Investoren und Liebhaber zum Kauf ders kompletten Anwesens inclusive der 40 ha Weinberge im Priorat und Montsant entschlossen. Man setzt auf einen guten Mix aus Verkauf und Export der Weine und diversen weintouristischen Besichtigungsangeboten, quasi für jeden Geldbeutel ein maßgeschneidertes Programm. Von der einfachen Verkostung bis zu aufwendigen Seminarprogrammen und exklusiven Wein- und Genusspartys ist alles dabei. Der Erste Jahrgang des Hauptweines namens Perinet ist der 2014er, ab 2015 werden dann offiziell drei Rotweine produziert. Neben dem Perinet, der in der 60-65 € Liga spielen soll, wird es einen kleineren Wein (um die 20 €) geben und einen Spitzenwein, von dem zwischen 4 und 5.000 Flaschen gefüllt werden sollen. Für letzteren wird ein Preisniveau von ca. 120 € pro Flasche angestrebt. Diese Weine dürfen wir bereits kosten, auch wenn es für beide aktuell noch keinen Namen gibt.
Hinzu kommen diverse Projekt- und Schulungsweine in Miniauflage (in aller Regel jeweils nur ein Fass), die von den Teilnehmern der Seminare verkostet und eventuell auch in Kleinstmengen gekauft werden können, so wie die beiden roséfarbenen Weißweine gestern auf der Vi Natural – Probe in Porrera oder die nun hier vorgestellten vier Single Vineyards, bei denen es um das Potential der verschiedenen Rebsorten geht. Auch diese vier: Grenache, Carignan, Syrah und Cabernet Sauvignon dürfen wir an diesem Vormittag probieren.
Wen wunderts, dass wir nach einem so intensiven Vormittag erst mal „platt“ sind, wobei das für die Füße wie auch den tanninstrapazierten Gaumen gilt…
Aber dafür haben wir jede Menge interessanter Weine verkostet, deren Verkostungsnotizen nun hier im Anschluß folgen werden.
Vielen Dank jedenfalls für diese neue Bereicherung der Fira, bei der speziell auch die nördlichsten und zum Teil weniger bekannten Erzeuger des Priorats im Fokus stehen.