Heute ist der Tag, wo der Wecker am Zeitigsten klingelt. Wir wollen in Ruhe frühstücken und uns tagfertig machen und dann haben wir ein gutes Stück Weg vor uns – vom Prioratrand Bellmunt in die Mitte – nach Torroja, egal, ob über Gratallops oder über Porrera gefahren, das kostet seine Zeit. Auch wenn viele der Straßen in den Jahren, die ich das Priorat kenne, ausgebaut und auch verbreitert worden sind – ein Gekurve bleibt s dennoch…
1999 entdeckte ich Torroja del Priorat erstmals, damals ein verschlafenes, fast totes Nest, in dem uns massig Katzen auf den steilen Gassen begegneten, aber nicht ein Mensch. Das Einzige, was auf Wein im Dorf zu dieser Zeit hinwies, war das Rotllan Torra – Gebäude, aber auch das wirkte, als hätte es schon bessere Zeiten gesehen. Und auch hier keine Menschenseele. Nur zwei alte Leute guckten verstört an Fenstern, als wir vorbei liefen. Das Klappern unserer Sandalen auf den Pflastersteinen war eine Störung der ewige Ruhe…
Dennoch waren wir schon damals von dem alten Dorf begeistert, von seinen schmucken alten Häusern und den gepflasterten Gassen mit ihren Mustern, jede Gasse ein anderes Muster… Na und die traumhafte Lage sowieso…
Wein aus Torroja – damals Fehlanzeige… Obwohl uns schon Wein von Rotllan Torra hätte begegnen können. Aber die Straßenkatzen schenkten nichts aus…
Einige Jahre später, als der Prioratboom immer internationaler wurde, kamen Abenteurer aus aller Welt ins Dorf, um hier Wein zu machen. Amerikaner, Südafrikaner, Deutsche und Franzosen. Einige blieben und machen hier heute immer noch Wein. Eigentlich hat nur der Südafrikaner Eben Sadie sich wirklich zurück gezogen.
Die Weinbauern aus dem Ort, die zumeist ihre Trauben jahrelang verkauft hatten, zogen nach und gründeten eigene, zumeist in der Größe sehr überschaubare Unternehmen. Auch der Weintourismus startete in dieser Zeit. Mitte der 2000er Jahre gibt es hier ein Luxushotel, mehrere Ferienwohnungen, einen eigenen Weinladen, der zu den besten Weinläden der Gegend gehörte. In der stilvoll eingerichteten Villa Cal Compte, inzwischen einem Urgestein unter den Ferienzimmervermietern, etablierte sich der Tast Cal Compte als Leistungsshow der Erzeuger des Dorfes.
Leider überlebte nicht alles die Wirren und Schwierigkeiten der langen, noch immer nicht beendeten Wirtschaftskrise. Das Luxushotel Abadia del Priorat schloß als Erstes, später gaben zwei Erzeuger auf, die alte Weinbaufamilien verkörperten, Llicorella Vins und Mayol. Mayol hatte zunächst den vom alten Vater geführten, sehr empfehlenswerten Weinladen geopfert und dort nur noch eigene Erzeugnisse verkaufen wollen, aber dann auch aufgeben müssen.
In die Versorgungslücke, die durch das Hotel gerissen wurde, sprang das sehr empfehlenswerte Restaurant Cal Joc und auch die Bar des Dorfes bietet einfache Speisen an. Vor etlichen Jahren hatte man dort Klaus-Peter und mir einen Salat improvisiert und damit unseren Hungertod verhindert.
Das Cal Joc schloß auch die Lücke, die durch die Fokussierung des Mayol – Ladens auf nur noch eigene Weine gerissen worden war, heute kann man hier nahezu jeden Wein trinken und auch mitnehmen, der in Torroja produziert wird. Trotz der Aufgabe einiger Erzeuger gibt es heute in Torroja so viele aktive Betriebe wie nie zuvor. Und fast alle sind sie beim Tast Cal Compte zu finden. In diesem Jahr so viele wie nie zuvor.
Kein Wunder, dass wir von Anfang an Gas geben mussten, um durch das anspruchsvolle Vormittagsprogramm zu kommen. 10 Erzeuger und insgesamt 40 Weine warten auf uns, einige wenige von Aixalà Alcait konnte ich mir schenken, da ich sie erst im März, Anfang April ausführlich aus dem Musterflaschenpaket verkosten durfte.
Etliche dieser Erzeuger traf man im Rahmen der Fira nur hier, selbst Terroir Al Limit war in diesem Jahr nirgendwo sonst präsent. Und die ganz kleinen wirklichen Garagenerzeuger trifft man ohnehin nur hier. Oder man findet ihre Weine im Cal Joc.
Das Niveau der gezeigten Weine ist insgesamt recht hoch, auch wenn von Basisweinen bis zur Spitze gezeigt wird. Natürlich ist es wie in allen Jahren sehr voll und man muss sich an die Tische kämpfen, aber dennoch ist das Programm schaffbar gewesen. Allerdings musste ich auf Olivenöl und andere Extras verzichten. Nur beim Bäcker Forn Sistaré musste ich ran schauen, nicht nur, weil ich Brot brauchte. Dieser Bäcker ist gewiß einer der besten Bäcker Kataloniens, wenn nicht gar Spaniens. Hier gibt es wunderbare Brotkreationen zu entdecken, handwerklich traditionell und möglichst ökologisch produziert. Nicht nur das Rotweinbrot ist zu empfehlen, eigentlich kann man sich zwischen dem ca. Dutzend verschiedener Brote zum Probieren kaum entscheiden, welches man kaufen solle. Natürlich haben all die Brote ihren Preis, aber dafür bräuchte man eigentlich nichts dazu, Sie schmecken auch ohne alles, ohne Öl, ohne Butter, ohne Käse und ohne Wurst. Und so esse ich in den Folgetagen auch von diesem Brot, Brot extra, Käse extra, Wurst extra…
Da man Rituale pflegen soll, gehört es inzwischen auch dazu, nach der Verkostung im Cal Joc zu Mittag zu essen (vorher einen Tisch reservieren ist an diesem Tag nötig). Hier gibt es ein eigens für diesen Tag kreiertes spezielles Menü – wir sind natürlich bei der Hauptspeise alleamt beim Kaninchen in Schokosoße – inclusive einem Glas Wein, für mich einen Pardelasses bitte… Besser als auf dem oberen Dorfplatz mit der feinen Küche des Cal Joc kann man eine phantastische Verkostung wie die im Cal Compte nicht nachklingen lassen…