Der Abstieg vom Roc du Vent ist erreicht, wir haben wieder Sicherungskabel und bald schon U-Eisen als Hilfe im Fels.
In mehreren Anschnitten geht es im Fels nach unten, immer wieder unterbrochen von kurzen Wegabschnitten.
Auch wenn es manchmal gewöhnungsbedürftig aussieht, so schlimm ist es nicht. Wenn man gesichert und vorsichtig absteigt, bleibt alles im grünen Bereich. Einmal nach einem etwa 20 m Kaminstück muss man zwar auf ein Loch aufpassen, in das man nicht treten sollte, aber sonst ist alles gefahrlos.
Ab und an kommen die Wolken mal wieder über uns, weniger schlimm aber als auf der Brücke. So ganz dicke Suppe würde hier keinen Spaß machen.
Steffen posiert nah am Abgrund.
Der steile Teil ist vorbei, im oberen teil des Bildes sieht man einen Teil des Wegverlaufs.
Nun kommen wir gleich in die „Traverse des Bouquetins“ – hier handelt es sich um einen immer noch absteigenden Pfad mit leichten Kletterabsätzen, auf dem wir aber die ganze Zeit durch ein Kabel gesichert sind. Der aufmerksame Leser erinnert sich, dass wir da schon mal beim Aufstieg aus reingeschaut haben. Eine ganze spannende Zeit später laufen wir nun hier entlang bis zum Eingang des Tunnels.
Dieser Tunnel, ursprünglich für ein Straßenprojekt gedacht, welches glücklicherweise nicht realisiert wurde, durchquert den ganzen Hauptberg und endet auf einer großen Terrasse auf der Höhe zwischen den beiden Rampen des Anstiegs. Für den Tunnel ist eine Stirnlampe unbedingt zu empfehlen, zumal auch „harmlose“ Wanderer sich aus Neugier in den Tunnel verirren.
Bei Gegenverkehr vom Typ „unbeleuchteter Fußgänger“ kann es schon etwas eng werden.
Der Klettersteig Via Ferrata du Roc du Vent endet hier, auf der Terrasse treffen wir auch ein belgisches Vorruheständlerärchen wieder, denen wir bereits auf dem Gipfel und an der Brücke begegnet waren. Gemeinsam gehen wir den zum Teil steilen Wanderweg nach unten, bei der Unterhaltung miteinander ziehen wir uns aber deutlich auseinander. Was die belgische Frau vornweg „rennt“, hängt Steffen hinterher. Nunja, jedem sein Tempo. Ein ganzes Stück weiter unten wartet sie dann auf uns und wir auf Steffen.
An der etwas vom Parkplatz zurückgesetzten bewirtschafteten Hütte bauen grade einige junge Frauen ihre Zelte auf, eigentlich tatsächlich ein wunderschöner Biwakplatz, aber Steffen meint, es wäre zu viel Geschleppe vom Auto aus und außerdem hat er Angst vor der Kälte des Nachts.
Bei der Refuge du Plan de la Laie, wo unser Auto steht, gönne ich mir noch ein Leffé, selbst den Höhenzuschlag für das Bier hier oben zahle ich gerne, während ich die gesamte Tour noch mal im Kopf rekapituliere.
Sicher gibt es anspruchsvollere Klettersteige wie diesen hier, psychisch wie physisch mehr fordernde, aber das hier ist ein Gesamtkonzept, eine Mischung aus Hochgebirgswanderung, Gipfelbesteigung und Klettersteig. Die gesamte Tour braucht ihre Zeit, erst gegen 15.00 Uhr einzusteigen wäre Ende August schon fatal, will man nicht im Dunkeln den Weg beenden. Die gesamte Runde ist recht lang und sehr abwechslungsreich, mit Fotostopps und Erholungspausen sollten wenigstens 5 Stunden eingeplant werden, vielleicht eher 6, um es richtig zu genießen. Die landschaftlich geniale Runde ist zu recht ein Highlight des Urlaubs, daher gibt es auch von mir 20/20 – ohne wenn und aber. Selbst, wenn der Steig nur mit AD (Assez Difficile = mäßig schwierig) beschrieben ist. Der eigentliche Stieg (ohne An- und Abmarschweg) ist 2000 m lang, davon ist knapp die Hälfte (950 m) mit Sicherungskabel versehen. Vom Parkplatz aus haben wir 547 Höhenmeter im An- und wieder im Abstieg zu absolvieren, allerdings sind es eigentlich noch ein paar mehr, da es zwischendrin ja immer mal runter und wieder hoch geht. Mißt man die Länge der Tour mit ein und geht den Steig sportlich, d.h. greift nicht in die Sicherungskabel, sondern nur in den Fels und die Eisen, dann wäre ein „AD+“ durchaus gerechtfertigt. Eine Adrenalinbombe ist der Steig schon allein durch die pantastischen Blicke in die Landschaft ringsum.