Wenige Schritte durch den Wald gehen wir nach dem Ausstieg des Klettersteiges La Travesée des Anges und schon stehen wir auf der Teufelsbrücke. Auf der anderen Seite kommt gleich das Hinweisschild, welches auf den nächsten Klettersteig hinweist. Steffen hingegen macht seine Drohung wahr und lässt mich den La Montée au Ciel – den Aufstieg zum Himmel alleine gehen.
Es ist heiß, die Wand liegt voll da, wo jetzt die Sone raufknallt, jeder muss sich hier selbst überlegen, was er sich da zumuten kann und will. Ich weiß, dass ich noch nicht am Limit bin, aber nicht jeder kann sich oder auch seine Gefährten so richtig einschätzen. So kam mir eine Vierergruppe entgegen, die wieder abstieg und mich zu einer Viertelstunde zusätzlichem in praller Sonne Stehen nötigte – und dass, wo es nicht grade bequeme Plätze für´s Aneinander vorbei gab.
Der Grund war eine ältere Dame, die sichtlich ihr Limit überschritten hatte (der ich aber auch den Weg absolut nicht zugemutet hätte, zumal der Mann in der Gruppe wie ein professioneller Führer wirkte – und somit als Bergführer nicht nur auf seinen Profit hätte aus sein dürfen). Die Frau selbst war schweißüberströmt und mit großen angstgeweiteten Augen zitternd unterwegs. Immerhin ist der Montée au Ciel kein Kirchgang gewöhnlicher Art!
Der Via Ferrata La Montée au Ciel ist zwar nur 450 m lang, aber er steigt auf der Strecke 120 m an und es gibt längere Vertikalabschnitte – einmal 25 m am Stück und auch mehrere Überhänge – die finale, ebenfalls überhängende Wand ist nochmals 20 m am Stück. Und an einem sonnigen Nachmittag gibt es nur einen kleinen Schattenfleck auf der gesamten Strecke. Die Schwierigkeit D = difficile (schwierig) ist zumal bei solchen Randbedingungen nicht untertrieben. In manchen Publikationen wird hier vom kräftemäßig anstrengendsten Teilsteig der 7 Steige gesprochen und auch das kann ich an einem Tag wie diesem nachvollziehen.
Ich in meiner Funktion als Steinbock finde es gut – aber als ich dann in die finale Schießscharte krauche, bin ich auch ganz froh – und vor allem habe ich ausnahmsweise Riesenbierdurst!
Am Anfang führt der Weg unter der Pont de Diable hindurch – mit schönem Blick auf die eben absolvierte La Traversée des Anges.
Auf geht´s – immer wieder gibt es hier gute Steigabschnitte wie diesen.
Immer wieder gibt es phänomenale Blicke in den Canyon der Arc.
Spannend ist immer wieder der Blick hinüber in die Felswand der la Traversée des Anges, um die dort Kletternden zu beobachten.
Und auf mich wartet wieder eine große Vertikale.
Immer wieder höre ich ein seltsames Surren in der Luft und weiß dann, es ist Zeit in die Luft zu gucken – dann kommt wieder jemand am großen über die Schlucht gespannten Seil angerauscht. Eine der beiden langen Seilbahnen, deren Startpunkt in dem Baumkletterplatz (21 € Eintritt, wenn ich mich recht erinnere, darin enthalten auch die Nutzung der Seilbahnen) oberhalb der la Traversée des Anges ist, führt direkt über mir lang. Die meisten rasen mutig über die Schlucht, aber auch Angstschreie konnte ich vernehmen… Wer genau schaut, sieht aber auch jemanden auf der Teufelsbrücke und auch in der Via Ferrata La traversée des Anges.
Auch in der Wand unter mir kommen bereits wieder die nächsten Kletterer.
Noch ein letztes Mal blicken wir hinüber zu Querung der Engel, wo eine neue Gruppe grad in einer der schwierigen Stellen steckt. Von weitem sieht das alles immer noch krasser aus, als wenn man selbst grad dabei ist. Auch weiter links klebt noch wer in der Wand.
Als ich wenig später im Fort Victor Emmanuel aus der Schießscharte springe, ernte ich erschrockene Blicke von harmlosen Touristen mit Kindern und Hunden, die sich fragen, wie ich in bester Piratenmanier das Fort geentert habe. An den beseelten Blicken einiger Leute auf dem Rückweg kann man sehr schön erkennen, wer sich noch diese Adrenalinschlacht gegeben hat. La Montée du Ciel zaubert einem das Lächeln ins Gesicht… da kann wohl niemand was gegen machen.
In dieser Kombi, wie ich sie hier vorgestellt habe, eine unbedingte Höchstnote von 20/20 in meiner individuellen Klettersteigskala.
Auch wenn es dann schon eine recht lange und anspruchsvolle Aktion ist, weniger lohnt nicht. Wahrscheinlich wäre es noch besser, noch ein zweites Mal hier zu zelten und dann Les Rois Mages und Le Chemin de la Vierge noch mit zu nehmen. So aber hab ich gute Gründe da gelassen, um noch einmal wiederzukehren an diesen wunderbaren Ort.
Ich gönne mir zum verspäteten Mittagspicknick auch noch zwei Bier vom Kiosk, auf dessen Gelände wir zelteten und lasse dann höchst zufrieden mit der Welt Steffen ans Steuer… – selten schmeckte mir profanes Bier besser, als nach dieser wunderbaren Aktion.