macht nicht erst der Mai… – nein, schon der Januar.
„Schuld daran“ ist der einzige Erzeuger, von dem ich keinen Wein, sondern andere Lebensmittel importiere.
Seit Sommer 2010 habe ich das Olivenöl und die Arbequinaoliven von Miro Cubells aus Cabacés mit im Programm, eigentlich im Ursprung aus fast privatem Interesse, nutze ich doch Öl und Oliven gern bei mir in der Küche. Nachdem einige Freunde fragten: „Kannst du uns da nicht auch was mitbringen?“ hatte ich etwas Öl und Oliven mit im Angebot – und nachdem wir die Sachen von Miro Cubells entdeckten, war für mich klar – das ist die Qualität und die Philosophie, die zu den Weinen meines Angebotes passt…
Miro Cubells ist ebenso wie die meisten meiner Winzer ein Kleinerzeuger mit hohem Anspruch an Qualität, Ökologie und Nachhaltigkeit. Es werden hier nur Oliven aus eigenem Anbau verarbeitet. 40 ha. Olivenhaine sind im Familienbesitz, keine großen endlosen Felder, sondern kleine Parzellen mit teilweise uralten Bäumen aus der Zeit der Mönche von Scala Dei stammend. Viele der Parzellen sind in abwegig gelegenen Winkeln im gebirgigen Naturpark Montsant versteckt, sie fügen sich wunderbar in die dortige phantastische, ja paradiesische Landschaft ein. Fernando und seine Mitarbeiter sind nicht nur Bauern und Ölerzeuger, sie sind auch Naturschützer und Bewahrer eines Stückes historischen Erbes. Gearbeitet wird nach den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, ein Teil der Parzellen ist bio-zertifiziert, andere Parzellen befinden sich in der Anerkennungsphase. Aufgrund der landschaftlichen Bedingungen muss zwangsläufig viel von Hand gemacht werden, das Gras wird z.B. nur manuell gemäht – die Mönche des Mittelalters dachten noch nicht daran, dass der Mensch eines Tages gern mit riesigen Maschienen arbeiten möchte, Ökonomie war den Gottesmännern ein Fremdwort. Fernando erhält diese uralten Parzellen am Leben und bewirtschaftet sie mit viel Aufwand und Liebe zum Detail. Und das schmeckt man den Produkten ab.
Die Oliven und das Öl habe ich nur für sich selbst sprechen lassen, und es sprach und spricht sich immer mehr herum, dass man hier für einen fairen Preis eine sensationell gute Qualität bekommt. Entsprechend war die Entwicklung im vergangenen Jahr, was den Umsatz durch Oliven und Öl anging. Steigerten sich die Umsätze beim Wein auf 144,33% in 2011 (2010 = 100%), so war es beim Öl und den Oliven eine Steigerung auf 237,27%.
Anders gesprochen 2010 hatten die Umsätze von Miro Cubells – Produkten einen Anteil von 4,54% des gesamten Jahresumsatzes, in 2011 steigerte sich das auf 7,26%. Bei 36 Erzeugern, mit denen ich in 2011 gearbeitet habe, wäre 2,77% der Durchschnittswert gewesen. Miro Cubells kam in 2011 unter die 10 wichtigsten Produzenten nach Umsatzhöhe – er landete auf Platz 8 in der Statistik.
Das alles zeigt die Akzeptanz der Produkte beim Kunden, denn ein Großteil der Leute, die Öl und Oliven von Miro Cubells bei mir kaufen, tun das inzwischen regelmäßig. Und so verwundert es auch nicht, dass von der Lieferung im Oktober 2011 kaum noch etwas da ist, das Öl im 5 l – Gebinde ist derzeit ganz alle.
Nun habe ich schnell reagieren müssen, damit es nicht zum kompletten Engpass kommt – ich habe schneller neu bestellt, als ich es eigentlich vor hatte – und es werden weniger neue Weine dieses Mal die Palette ergänzen…
Zum einen habe ich Weine „ohne Ende“ im Keller, zum anderen ist seit Oktober 2011 ein bedrohlicher Nachfragerückgang nach Wein zu beobachten, das Medien- und Politikergerede über die Zukunft des Euro zeigt Wirkung, wer nicht kaufen muss, wartet wieder erst mal ab, wie schon nach dem Ausbruch der Krise 2008. Schon höre ich wieder den einen oder anderen sagen: „Ich wollte ja schon längst mal wieder was bei dir bestellen, aber momentan…“
Das Schicksal eines engagierten Kollegen, der jetzt zum 20.01. aufgibt, hat mich schon sehr betroffen gemacht, denn auch dieser Kollege hätte mit seiner Philosophie mehr Beachtung verdient, als er bekam, damit es zum Überleben gereicht hätte…
Die Gewinner dieser Entwicklung scheinen wieder einmal mehr die zu sein, die anonyme Massenware ohne „Herkunftsgesicht“ zum Billigstpreis verschleudern, daneben vielleicht noch die, die genug Papiergeld haben, um Preise drücken zu können. Wenn es dem kleinen Erzeuger ohnehin so schlecht geht, dass er sich nicht mehr wehren kann, dann erscheint das ein legitimes Mittel – aber indem ich ihn vor die Wahl stelle – entweder du verkaufst nichts oder du verramscht es mir, bedeutet das auch im Umkehrschluß, dass ich den Produzenten mehr ausbeute und damit den Wert seiner Arbeit nicht in dem Maße schätze, wie es die Qualität der Produkte eigentlich verdient hätte.
Wie viele Lebensmittelskandale brauchen wir noch, um zu merken, dass wir damit irreparablen Schaden anrichten, wenn wir die Arbeit derer nicht mehr gerecht honorieren, die mit Idealismus um das neue Zauberwort „Nachhaltigkeit“ ihre Arbeit verrichten? Wenn wir um Prozente feilschen und in Kauf nehmen, dass dann eben wieder Qualität und vor allem die Produktgesundheit den Bach runter gehen?
Längst ist das Stichwort „fairer Handel“ nicht mehr nur auf Erzeuger aus der dritten Welt begrenzt, auch viele Erzeuger mit Idealismus und Enthusiasmus aus Spanien und anderen europäischen Ländern brauchen Händler, die ihre Produkte fair handeln, statt sich den Rahm abzuschöpfen – und sie brauchen Konsumenten, die nicht nur Phantasierabatten hinterherjagen, sondern die bereit sind, mit ihrem durch sie akzeptierten Preis ohne Feilschen die Arbeit des nachhaltig produzierenden Erzeugers wie auch die des fair handelnden Händlers zu würdigen.
Mein Olivenölhersteller freut sich über die Akzeptanz seiner Produkte und die positiven Kritiken, die ihn erreichen – er sieht sich wie ich mich als Händler dabei bestätigt, dass er es richtig macht, dass seine Philosophie und sein Idealismus seine Produkte wahrlich besser machen.
Sein Preis für ein wirklich hochwertiges Öl liegt inzwischen unter dem von anonymen Ölen aus biologisch erzeugten Oliven aus allen Ländern der EU. Aber es ist sein Preis, den er mir zur Kalkulation vorgibt. Ich würde nicht um diesen Preis feilschen, weil ich ihn akzeptiere und damit seine Arbeit wertschätze.
Der Verbraucher entscheidet, ob er skandalumwittertes Billigstöl kauft, oder dem Discounter vertraut, wenn er gesichtsloses Verschnittöl als Bio anbietet oder ob er eben halt ein Öl kauft, welches Gesicht und Seele hat. Und komischerweise hat bislang nicht einer meiner Ölkunden versucht, zu feilschen, denn auch sie haben mit der Akzeptanz des Preises das Produkt wertgeschätzt.
Auch beim Wein sollte das wieder stärker so sein, meine Kleinerzeuger und Familienbetriebe aus dem Priorat hätten es verdient, dass ihr Idealismus genau so honoriert wird.
Mit der für Ende Januar, Anfang Februar erwarteten Öl- und Olivenlieferung werde ich einige Weine nachkaufen, die gefragt sind und einige wenige Neue aufnehmen – auch hier im Prinzip Nachfolgejahrgänge von Weinen, die bereits eingeführt sind. Mit allem anderen muss auch ich erst warten, bis sich die Zeiten wieder bessern. Und dabei hoffen, dass niemand derer, die ihren Job mit hohem Idealismus und in Ehrlichkeit und Transparenz machen, gezwungen ist, aufzugeben.