Nach der Pause wollte ich mich neu orientieren, gegebenenfalls die Halle wechseln, aber ich blieb hängen an einem Probiertisch, der wie ein langes O aussah. In dessen Mitte war jemand damit beschäftigt, leere Flaschen auszuwechseln. Von der Seite kam jemand mit einem Tablett frischgespülter Gläser und da ich scheinbar neugierig genug rumstand und mir die ausgestellten Flaschen ansah, bekam ich fix ein Glas in die Hand gedrückt, mit einer Handbewegung, die signalisierte: „Bedien dich!“
Der Tisch war so etwas wie die Visitenkarte bzw. der Übersichtsplan der Halle. Jeder hier vertretene Winzer hatte eine seiner Meinung nach besonders gelungene Flasche abgestellt, verbunden mit einem Schild mit allen wichtigen Angaben zum Wein. Hier konnte man quasi sich erst einmal orientieren oder auch in Ruhe probieren, ohne das komplette Programm des Winzers „abarbeiten“ zu müssen. Hier konnte man aber auch hervorragend vergleichen, Entdeckungen machen oder alte Bekannte wieder finden.
Hinzu kam,dass man sehr schnell mit anderen Verkostenden ins Gespräch kam, Tipps, was man unbedingt probieren müsse, wurden schnell weitergereicht.
In jeder Halle gab es irgendwo so ein Areal, hinzu kam nochmals eine ganze Halle „Salle de Degustation“. Der schüchterne Sprachunkundige hätte auch so drei Tage sehr informativ rumbekommen – die Disziplin an den Tischen war beispielgebend. Insgesamt begegneten mir in den drei Messetagen weniger als eine Handvoll Leute, bei denen man das Gefühl hatte, sie hätten genug des Guten genossen.
Ich unterhielt mich mit einer ganzen Reihe französischer, aber auch deutscher Messebesucher an diesem Tisch und probierte das Eine und das Andere, was mich interessierte, aber auch was von den Gesprächspartnern empfohlen wurde. Hier die Tipps:
Domaine Gres Saint Paul – Antonin 2007 – ein Klassiker des Languedoc, auch seit Jahren in Deutschland zu finden. Und erneut ein sehr schöner Wein, mit wunderbar reicher Frucht und sehr angenehmer Frische. Der angegebene Ab Gut Preis weist auf ein gutes PGV hin. ***/*****!
Château Bas d´ Aumelas – L´ Egerie 2007 – interessante Neuentdeckung, aber preislich recht ambitioniert. **-***/*****
Mas de Martin – Cuvée Ultreia 2007 – hier arbeitet man erneut an der Maximierung des Extrakts, so habe ich diesen Wein auch in frühreren Jahrgängen erlebt. Verkostungsmonster, aber entsprechend schnell sättigend. Für mich etwas zu viel des Guten, aber das Gute ist zweifelsohne reichlich da… ***/*****
Mas de Chimeres – Mas de Chimeres 2007 – ein alter Bekannter für mich mit immer noch sehr solidem Wein. Zwar im Vergleich zu manch anderem Wein hier recht einfach gestrickt, aber stoffig und gut zu trinken. Auch das PGV stimmt hier noch immer! **-***/*****!
Mas de Brunet – Cuvée Prestige 2007 – ebenso ein sehr alter Bekannter für mich, 1992 oder 1993 habe ich das Weingut erstmals besucht, später ist es mir leider etwas abhanden gekommen, weil es so viele gute Sachen in dieser Gegend gab. Aber es ist kein nostalgisches Aufwärmen einer alten Jugendliebe – hier entstehen noch immer grundsolide gute und typische Weine zu sehr fairem Preis. Der 2007er ist zwar noch etwas vom Holz dominiert, aber er bringt sehr vielversprechende Anlagen mit. Der Wein ist in allem sehr ausgewogen. Exzellent! ***/*****! Ich muss doch mal wieder in Causse de la Selle Halt machen…
Domaine L´ Hortus – Clos de Prieur 2005 – ebenfalls nichts Neues für mich, von diesem Parzellenwein aus Saint Jean de Bueges habe ich bereits mehrere Jahrgänge genussvoll getrunken. Auch der 2005er reiht sich nahtlos ein. Sehr ausgewogen, elegant und mit Potential. ***-****/*****
Domaine de Villeneuve – Fol´ Envie 2007 – wird hier recht kontrovers diskutiert, es gibt eindeutige Anhänger dieses großen Stoffs mit übergroßer Röstnase. Für mich vom neuen Holz erschlagen, auch am Gaumen noch krallig und gar etwas aggressiv. Mag sein, dass sich das legt im Laufe der Jahre, aber hier bei diesem gerühmten Pic Saint Loup wird für mich der Unterschied zu einem Que Sera Sera recht schnell sehr deutlich – preislich sind wir hier auf Augenhöhe… ***/*****
Richtig positiv wird auch der „Kleine“ von Mortiès diskutiert, der hier ebenfalls ausgestellt ist. Nachdem sich meine französischen Gesprächspartner die Standnummer von Mortiès von mir geben ließen, verabschiedeten wir uns und auch ich riß mich von diesem genialen Verkostetisch los.
Der Messetag war schon weit fortgeschritten, aber ich wollte wenigstens noch aus der Halle N° 9 herauskommen, in der ich bislang den ganzen Tag verbracht hatte. Das ich heut nicht mehr nach Spanien kam, war mir schon klar, schließlich fanden sich diese Stände in den weitest entlegenen Hallen und die Verführungen an den Wegesrändern locken…
Auch ich kam nicht mehr weit, ich „versackte“ in der berüchtigten „Cave 41“. Als ich hier vorbei kam, da wußte ich, das der Rest des Tages gelaufen ist…
Dazu dann im nächsten Artikel mehr.
*/***** – guter Wein (80-87/100 Th.)
**/***** – sehr guter Wein (88-92/100 Th.)
***/***** – exzellenter Wein (93-94/100 Th.)
****/***** – großer Wein (95-96/100 Th.)
*****/***** – Weltklassewein (ab 97/100 Th.)
! – hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis