Wein 7
Château Beychevelle; 4eme Grand Cru Classé; Saint Julien; 1996 rot;
Eine überraschend schöne Nase, recht offen, am Gaumen zeigt er dann noch einige Ecken und Kanten und bleibt insgesamt hinter dem Sociando zurück. Aber dennoch für mich ein definitiv positiv überraschender Wein – und auch die Runde nahm ihn durchaus mit Begeisterung auf. Leider inzwischen nicht mehr ganz billig, was aber am Etikett liegt und dennoch ein wenig auch mit der Qualität korrelieren mag. Von mir 94/100 Th. Exzellenter Wein, wer ihn im Keller hat, muss sich nicht grämen.
Ganz im Gegensatz zum folgenden Wein:
Wein 8
Château Leoville Barton; 2eme Grand Cru; Saint Julien; 1996 rot;
Vielleicht muss man sich nicht grämen, ihn im Keller zu haben, aber definitiv, ihn hier geöffnet zu haben. Noch mal den Montrose nach unten getoppt… Die Nase noch etwas reserviert, am Gaumen dann eine recht harsche Säure und eine massive Tanninwand. Ich hatte den Wein sogar jünger schon mal besser, derzeit mit viel Wohlwollen und viel Hoffnung 91+/100 Th. Sehr gut. Wobei das nicht den aktuellen Spaß wiederspiegelt, da hätte man auch noch vier, fünf Punkte runter gehen können.
Da ist sie wieder, die mich langsam nervende Bordeaux-Lotterie. Teuer Geld ausgegeben, bereits in der Subs auf die damaligen Print-Gurus vertraut, dem Wein dann etliche Jahre Unterschlupf im Keller gewährt und dann einen fast 16jährigen pubertär verstockten Rotzbengel aufgezogen, der nicht nur seinen Eltern keine Ehre macht, sondern auch dessen gesamte Freunde enttäuscht.
Wie gut, dass es 1996 auch schon das Priorat gibt, denke ich und serviere
Wein 9
Alvaro Palacios; Finca Dofí; Priorat; 1996 rot;
Nun ja – es war nicht meine beste Idee – und ausgerechnet ich hätte es eigentlich wissen müssen, dass auch die Weine von Alvaro Palacios nicht der Ausbund an Zuverlässigkeit sind. Ähnlich wie in Burgund oder Bordeaux, eine Flasche begeistert, eine enttäuscht.
Und dabei hätte er der Star des Abends sein sollen, aber wer einen Dofí trinken will, muss wissen, dass es sich damit ähnlich verhält, als würde er zum Lou Reed Konzert gehen. Wenn der Meister keinen Bock hat, überläßt er der Vorband den Spaßvortritt.
Der Dofí hier hatte definitiv keine Lust (mehr) – ich hatte ihn auch schon mal weit besser erlebt, aber diese Flasche hier ist sowohl stark säurelastig als auch stark austrocknend. Enttäuscht, denn der Wein war auch in den 90ern schon nicht billig. Wahrscheinlich aber ist seine beste Zeit schon vorbei, denn an einen Verschluss mag ich hier nicht glauben, eher an Altersschwäche. 92/100 Th., aber eigentlich auch nur, weil er für mich marginal ein Quentchen überm Leoville war. Reduziert man auf den Trinkspaß, dann wären es auch hier ein paar Punkte weniger.
Meist werden solche Weine ja wenigstens noch ein wenig durch die Nase gerettet. Aber man will halt nicht nur schnüffeln…
Damit geht der Rundensieg hier überraschenderweise an Beychevelle.
Okay, okay, okay, einen hab ich noch….
Wein 10
Château Pichon Baron Longueville; 2eme Grand Cru Classé; Pauillac; 1996 rot;
Dieser Wein rettet letztlich mit seinen starken Pauillac-Noten und seinem Kaffeeduft den Abend für die etwas teureren Bordeaux-Weine und zeigt, dass manche dieser Weine auch einen höheren Preis rechtfertigen. Ein schöner Abschluß der 1996er Serie und der Gewinner derselben. 96+/100 Th. Großer Wein.
Natürlich wird entsprechend viel diskutiert in der alles andere als Bordeauxlastigen Runde. So 100%ig zufrieden ist wohl niemand nach der Ansage derartiger Kaliber. Zwar gab es zwei positive Überraschungen mit dem Maucaillou und dem Cartoixa d´Scala Dei und einige Weine, wie Sociando, Beychevelle und Pichon Baron, die die Erwartungen erfüllten, aber mit Montrose, Leo Barton und dem Dofí waren auch drei bittere Pillen zu schlucken.
Dennoch hatten wir viel Spaß unter uns und auch der Spucknapf blieb erstaunlich leer und Reste gab es auch nur bei den bitteren Pillen.
Ein 2003er Jasnières sollte eigentlich der Abschluss sein, aber ich ging mit Jochen zu vorgerückter Stunde noch mal in den Keller. Die dort auf die Schnelle aus dem Trinkregal gezogenen Weine waren dann auch sehr versöhnlich für die noch verbliebenen Gäste.
David, der immer auf einen Südfranzosen gewartet hatte, wurde mit dem 2000er Prieure de Saint Jean de Bebian „entschädigt“ und beim „süßen“ Jochen zauberte ich mit einem Pacherenc de Vic Bilh von Alain Brumont noch ein Lächeln auf die Lippen.
Norbert und Wera dagegen musste ich am Folgetag mit einer kleinen 2004er Prioratprobe versöhnen… – aber das ist dann ein neues Thema.