Was haben wir gut geschlafen in dieser ersten Nacht im Zelt! Wir schlafen relativ lange, ich werde gegen 08.30 Uhr wach, Jörg murmelt noch vor sich hin, bis das Kaffeewasser fertig ist. Der Platz war wie schon im letzten Jahr wunderbar ruhig. Ein gutes Frühstück und der Tag kann beginnen. Exakt 10.00 Uhr lassen wir den Motor an.
Diesmal halten wir nicht in St. Claude, der Stadt der Pfeifenmacher, die ich im letzten Jahr mit Steffen ausgiebig besichtigt habe, aber schon wenige Kilometer später werden wir zum Anhalten gezwungen – eine Käserei liegt an unserem Weg. Und Käse ist das Einzige, was wir in unseren Kühlschrankresten schon nicht mehr haben – mit Absicht…
Ich erwarte natürlich einen anständigen Comté und vielleicht noch ein, zwei weitere Sachen, aber sogleich erfahren wir, dass wir auch bei einem von nur noch vier Erzeugern des Bleu de Gex gelandet sind.
Bereits seit diesem Morgen sind wir im Gebiet – sprich Terroir – für diesen Blauschimmelkäse und erfahren, dass die Rassen der überwiegend brauen bzw. weiß – brauen Kühe, die wir allerorten hier am Wegrand sehen, Montbéliarde und Simmental sind. Gut die Montbéliarde ist ja auch für den Comté eine berühmte Rasse, die typische Jura – Kuh eigentlich…
Bis zum ersten Klettersteig werden sie auch noch bei uns bleiben, denn das Terroir für den Bleu de Gex beginnt kurz oberhalb von Morez (welches selbst nicht im Gebiet liegt) und geht bis knapp vor Seyssel (gehört ebenso nicht mehr dazu). Es umfasst das obere Jura von der Schweizer Grenze bis etwa kurz vor Nantua. Die Kühe stehen dabei von Frühjahr bis Herbst auf den recht kräuterigen Bergwiesen, die Milch wird eigentlich als „arm“ bezeichnet und eignet sich bestens für die Herstellung eines Blauschimmelkäses. Der Bleu de Gex lässt sich dabei historisch bis in das XIII. Jahrhundert zurückverfolgen, wir haben hier ein wahrhaft historische Produkt, welches seit 1935 AOC geschützt ist. Bei minimal 1 ha. Weide-Platz pro Kuh kann man dann wohl auch von glücklichen Tieren sprechen… Auch im Winter dürfen sie nur mit Heu der Wiesen von innerhalb des AOC – Gebietes gefüttert werden, die Regeln sind hier wie bei den anderen AOC´s sehr strikt und der intensive und einzigartige Geschmack der nach solchen Regeln produzierten Käse gibt den Auflagen und Bestimmungen Recht.
Der kleine Ort L´ Essard fällt nicht wirklich auf, aber die Käserei „Fromagerie de Montbrillant“ neben der Straße ist nicht zu übersehen. Lediglich Weihnachten, am 1. Januar und Ostersonntag ist geschlossen, ansonsten ist an 7/7 Tagen zu den regulären Zeiten ein wunderbarer Laden mit Produkten des Jura zu entdecken. Die Käse der Fromagerie können natürlich auch verkostet werden – und wie es in Frankreich mehr und mehr üblich ist, kann man sich über alles informieren, ja sogar beim Produktionsprozeß zuschauen bzw. die Käserei besichtigen. Bezüglich dieser Art von Arbeit mit dem Verbraucher hat uns Frankreich wirklich sehr viel voraus, Transparenz in der Arbeit und bei den Herstellungsmethoden wird deutlich größer geschrieben als in Deutschland.
Wir nehmen ein gutes Stück des cremigen intensiven (aber nie aufdringlichen) Blauschimmelschnittkäses mit und dazu noch ein Stück 18 Monate gereiften Comté. Und eine Saucisse de Morteau muss mit… – da die langen üblichen Würste nicht in unseren Trangia Topf passen, bekommen wir eine kürzere, aber dafür breitere Wurst. Gratis obenauf gibt es eine Broschüre zum Bleu de Gex, die sehr ausführlich und gut gestaltet ist, des Französischen mus man allerdings mächtig sein…
Was ist die Welt und das Leben schön, denken wir uns, als wir wenig später an einem Aussichtspunkt nochmals kurz anhalten, um in die tiefe Schlucht Gorges de Flumen hinab zu schauen. Dann geht es durch die magischen alten Wälder des Jura und über Lajoux und Mijoux gelangen wir auf den Col de la Faucille (1320 m hoch).
Hier finden wir saubere Toiletten und so rein zum Spaß gönnen wir uns ein erstes kleines „Abenteuer“. Für 5 € pro Person (und das ist für den Spaß nicht überteuert) wird man hier zunächst richtig (ich meine wirklich richtig!) steil hochgezogen und saust dann die 1,5 km lange Sommerrodelbahn in einer Schußfahrt mit Kurven und Loopings in einer Schussfahrt hinunter.
Auch für uns geht es dann rasant in Schußfahrt hinunter nach Gex – jetzt erst wird uns bewußt, wie hoch wir da schon mal waren… Und ich erinnere mich an eine Radtour 1994, als wir, am Genfer See gestartet, diese lange und kurvenreiche Straße mit vollem Campinggepäck – incl. Trangia! – hoch radelten. Ich habe damals bei dieser ersten „Bergwertung“ den 2. Platz von unserer 7er Gruppe gemacht.