Ich bin gern gegen Konventionen – auch gegen jene in meinen Augen bizarre „Regel“, nach der Rotwein im Winter und Weißwein im Sommer getrunken wird und Rosé am Besten gar nicht, weil er ja weder Fisch noch Fleisch ist…
Vielleicht einfach wußte ich es schon besser, bevor ich von dieser Regel gehört habe, in der DDR waren wir von solchen Ideologien frei, vielleicht auch deshalb, weil die heimischen Weine eh meist weißweinorientiert waren und Sommers wie Winters getrunken werden musste, wenn man mal was entsprechend Vernünftiges bekam.
Die damaligen roten Bück-Dich-Weine, der liebliche Kadarka war von Beginn an nicht so mein Ding und wirklich gute Rote fand ich erst auf den Radtouren durch Ungarn in den 80ern… Wer jemals in den Kellern von Eger war, der weiß, dass man dort rot versackt… – auch im heißen Hochsommer. Fatal, wenn man dann noch einen Platz zum Zelten suchen muss… Da war es vor den Toren von Budapest schon besser, der uns dort 1985 auf seine Wiese zum Zelten einladende Mann stellte sich und die neben ihm stehende Frau wie folgt vor: „I bin dr Josef und nix habe Zeltplatz, abr Wiese, kennts zeltne unter Nuußbaum… I bin dr katholsch Pfarr von dis Dorf und dös is de Maria. Dös ists Frau, macht die Wäsche und dös Kochn. Und dös ist och man liebes Mächn.“ Ob nun liebes Mädchen oder Liebesmädchen, wer konnte das schon so genau raushören damals – vier Jahre später allerdings war er strafversetzt worden. Ohne seine Maria… Alle halbe Stunde ging er in den Keller, einen Krug Wein hoch holen, roten natürlich: „I habn nix Weinberg, aber viele Weinfass in Kellr. Bin dös katholsch Pfarr hier und dös is alls dr Messwein…“ Wir begriffen damals, dass auch die Katholiken zu leben verstehen… Im nächsten Jahr setzten wir uns mit Josef gleich in den Keller zu den Fässern….
Und nach der Wende wurde ich eher in Frankreich und dann später in Spanien weinsozialisiert als mit deutschem Riesling. Der Begriff „Sommerrotwein“ ist mir also von Beginn an geläufig gewesen, oft waren das nicht lange im Fass ausgebaute und mit eher weniger Tannin versehene Rote, die relativ jung schon Spaß machten und die man auch gern etwas kühler aus der Flasche ins Glas gießt (warm wird bei jenen Temperaturen eh jeder Wein im Glas und solche Roten haben oft den Vorteil eines längeren Trinktemperaturfensters). Vornehmlich Rote aus Burgund, dem Beaujolais, dem Jura, aus der Auvergne oder von der Loire, je mineralischer, desto besser… der wunderbare L´Excellence de Clos Saint Fiacre aus 2008 von der Domaine Montigny-Piel (Appellation Orleans) hätte gestern so einen wunderbaren Sommerroten abgegeben, allein, es fehlt in diesem Jahr hierzulande bislang an Sommertagskandidaten…
Dafür aber hatte ich ja meine Firafahrt – die für mich 11. Tour zur Weinmesse Anfang Mai ins Priorat. Und seit nunmehr 10 Jahren ist Klaus-Peter aus Ulm alias „vinos“ dabei, nur einmal zwischendrin musste er aussetzen. Was haben wir in all den Jahren nicht alles gemeinsames erlebt, Schönes, Großartiges, auch mitunter Seltsames oder Bizarres „Esta aqui???“…
Die damailgen Firatagebücher der ersten Jahren hatten auf dem leider restlos zerbombten TAW-Forum fast schon Kultstatus erlangt. Wenn man das schon so lange macht, dann überkommen einen auch mitunter Sentimentalitäten, es ist nicht nur ein stetes „Wie nach Hause kommen“, wenn ich die Pyrenäen überschritten habe und dem Weinparadies mit jedem Kilometer näher komme, oder die Freude auf das Wiedersehen mit Klaus-Peter, es ist auch das Gefühl, hier in diesem überschaubaren Landstrich schon irgendwie dazu zu gehören… Und so etwas darf man feiern. Wie einen Geburtstag…
In Porrera wird mir eine ganz besondere Flasche angeboten. Normalerweise wird das nicht verkauft, aber ich müsse das doch mal getrunken haben. Die neue Inhaberin des kleinen Weinladens in Porrera ist Gold wert… Ich nehme diese Flasche gern an mich, um sie nach überstandenem Fira-Verkostungsdauerstreß ganz in Ruhe mit Klaus-Peter zu trinken, an seinem – ach was, an unserem Lieblingsbiwakplatz nahe La Morera de Montsant.
Diese Fira ist meine bislang Heißeste, für uns Deutsche sind das absolute Hochsommertage, auf der Straßenfira in Falset weigere ich mich, Weine zu verkosten. Für die besondere Flasche fahren wir deshalb auch an den sehr weit oben gelegenen Platz, hier wird es abends erträglicher, was dem Wein und uns gut tut, ich möchte diesen Wein zelebrieren… – wer sich konservativen Konventionen verpflichtet fühlt, der hätte das zu Hause an der festlichst geschmückten Tafel gemacht… Diese Leute schimpfen jetzt:“Der hat doch diese einmalige Flasche tatsächlich als Picknickwein missbraucht“… Diese Leute trauen sich aber auch nicht nach dem Rotwein des Priorats den Weißwein des Priorats zu trinken – „Man kann dch nach den Roten keine Weißen trinken!!! Und kann man denn überhaupt Weiße aus dem Priorat trinken???“ Oh doch – im Priorat können sie das fast alle… – aus gutem Grund.
Ich lasse Klaus-Peter zappeln. Zeige ihm nicht die Flasche, er weiß nur, es wird etwas Einmaliges – und nicht ganz Billiges – geben… und er weiß, dass ich diese Flasche aktuell hier erstanden habe. Er schätzt den Wein als etwas gereifter ein, so vielleicht schon Mitte der 90er… Ich sehe förmlich, wie er die Angebotspalette sämtlicher Läden des Priorats wie ein Computer durchsucht auf mögliche Kandidaten… – und dann hat er eine Ahnung: Ich habe gelesen, dass die Gute Frau in Porrera einen der Clos Weine von 1989 angeboten bekommen hat… – das wird doch nicht etwa..?“
Doch – es ist… – Eine Flasche der 10 Pioniere aus dem Jahr 1989…
Wer sich in der Geschichte ein wenig auskennt, der weiß, es hat damals 10 verschiedene Clos -Etiketten gegeben, ein Etikett für jeden Beteiligten – der Wein in den Flaschen jedoch war überall derselbe. Die 10 „Revolutionäre“ schmissen ihre Trauben zusammen, vinfizierten gemeinsam und füllten dann ab, für einen jeden in seine eigenen Flaschen unter eigenem Etikett… Die DOQ Behörde musste das damals sehr argwöhnisch betrachtet haben, kommen da welche daher und machen einen Wein, wo die Flasche um die 4.000 Peseten kosten soll. Ja sind die denn noch bei Troste? Der Grund, dem Wein die offizielle Bezeichnung Priorat verwehren zu dürfen, war schnell gefunden… 12,5° Alkohol… – das geht doch gar nicht…
Ein Priorat-Rotwein muss mindestens 13,5° haben – das ist so festgeschrieben… – weswegen unser Wein jetzt eben kein echter Prioratwein ist, sondern ein „Red Table Wine – Product of Spain“, kommend aus 43737 Catalunya…
Und vieles auf dem Etikett geht noch gnadenlos durcheinander, noch nicht hatte sich so gefunden, wie es heue ist. Oder nicht mehr ist… – denn ein Teil der 10 Clos – Weine existiert heute nicht mehr. Und auch nicht mehr alle ihre Macher…
Ich habe den Clos Garsed 1989 von Adrian Garsed. Den sympathischen Engländer lernte ich bei meier ersten Fira 2005 noch persönlich kennen, er lud mich ein, wenn ich im nächsten Jahr wiederkäme, soll ich sein Weingut besuchen… Im nächsten Jahr war er nicht mehr da, seither ranken sich zwar immer mal Gerüchte um das Bellmunter Weingut Garsed I Hijos, aber nichte Genaues weiß man nicht… der berühmte alte Carignan-Weinberg Cometa de Lloa, den er u.a. restauriert hatte, wurde einige Zeit später von Terra de Verema übernommen und ergibt den prestigeträchtigen Corelium…
Auf dem Etikett steht weiter als Erzeugernamen zu lesen Costers del Siurana. Dieser Erzeugername hat die 25 Jahre überlebt, das ist das Weingut von Carlos Pastrana mit seinem Spitzenwein Clos de l´Obac. Ein Etikett Clos de l´ Obac hat es 1989 natürlich auch schon gegeben.
Und um das Maß voll zu machen, auf dem Unteretikett steht, dass der Wein ausgebaut und abgefüllt wurde von René Barbier. Auch der Korkbrand ist „Rene Barbier 89“. Und das trinken wir zum Picknick. Einen besseren Wein hätten wir nicht auf dem Steintisch haben können und für diesen Wein keinen besseren Anlass…
Und wie trinkt sich nun ein 25 Jahre alter 1989er Clos-Wein? Wir hoffen natürlich auf eine Flasche, die es gut über die Zeit geschafft hat – und wir werden an diesem denkwürdigen sommerlichen Abend mit einer wohl perfekten Flasche belohnt:
Adrian Garsed; Clos Garsed; Priorat – Bellmunt del Priorat; 1989 rot;
12,5°, als Red Table Wein bezeichnet. Als Betrieb steht Costers del Siurana auf dem Etikett, abgefüllt wurde der Wein von René Barbier.
Sehr frische Nase, leicht angereift, aber die 25 Jahre Alter nicht zeigend. Kräuternoten, sehr viel eleganz bereits in der Nase. Am Gaumen komplex, baut sich immer weiter auf und wird bis zum Schluß immer noch besser, sehr langer, sanfter Nachhall. Beeindruckende Leistung aus optimaler Flasche. Perfekte Nase für einen so reifen Priorat, am Gaumen dann aber noch beeindruckender und sich immer weiter entwickelnd. Schnell wird klar, dass hier 96 Punkte zu wenig wären, der wein möchte in der Liga der Weltklasseweine spielen, Und dafür gibt er alles – viel Spaß für einen einzigartigen Abend. 97/100 Th. Weltklassewein.
97/100 VP
(05/2015)
Die Weinrallye ist ein monatlich ausgerichtetes Blog-Event, unterstützt vom der Weinrallye- Facebookgruppe und dem führenden deutschsprachigen Weinforum. Gastgeber dieser 86. Weinrallye ist der genussblog „Einhunderachtzig Grad“.