Heute muss ich eine neue Kategorie einrichten, die ich eigentlich vermeiden wollte.
Ich werde sie „Kein Wein, kein Vergnügen“ nennnen und sie wird Themen vorgehalten bleiben, die sehr ärgerlich sind, aber denen man nicht mal mehr mit Galgenhumor beikommen kann.
Galgenhumor ist ja oft das einzige, was hilft, wenn man über die deutsche Politik der letzten Jahre so nachdenkt. Wenn Dinge von kurzsichtigen, vielleicht gar blinden Politikern verzapft werden, bei denen es Leuten mit Weitblick nur so graust…
Sämtliche Hartzreformen zum Beispiel. Die „populärste“ – Hartz IV hat nicht nur viele Menschen in ein Dauerelend abgleiten lassen, nein sie sorgt auch neben menschenverachtenden 1 € Jobs dafür, dass in anderen Wirtschaftsbereichen der Knüppel zu immer geringeren Reallöhnen regiert. Alle verantwortlichen Politiker klopfen sich auf die Schulter und sagen Hurra – die Arbeitslosenstatistik wird besser und besser. Niemand indes geht in sich und sagt: Viele Menschen können aufgrund unserer Hartz Reformen von ihrem eigens verdienten Geld nicht mehr leben… Sei es die allein erziehende Mutter mit Minijob; sei es eine Lebensparnerschaft, wo dem arbeitssuchenden Teil jede Hilfe verwehrt wird, weil der andere noch (zu) gut verdient – zu gut heißt hier in etwa mehr als das Doppelte von Hartz IV; sei es der Pendler, der nach Abzug seiner Kosten zum Pendeln kaum mehr übrig hat, als jemand, der Hartz IV bezieht; sei es der Selbstständige, der sich mit Mühe und Not über Wasser hält und dem die Politiker nicht mit schweren Stützen helfen, wie sie es bei den Managern großer Konzerne tun, die offensichtlich durch Spekulationen versagt haben…
Dazu kommen die anderen Hartz Reformen – mit einer wurde geregelt, dass intensive Eingliederungshilfen für sozial- und lernschwache Ex-Schüler gestrichen wurden, weil sie zu kostenintensiv sind.
Ich habe jahrelang selber als Sozialpädagoge und Stützlehrer in sogenannten Förderlehrgängen 2 gearbeitet, weiß daher, wovon ich hier rede. Ich betreute im Einzelunterrricht die besten der Geistig-Behinderten- Schulen und die Schlechtesten der Lern-Behinderten Schulen. Auf 18 Jugendlliche kamen drei Ausbilder, drei Sozialpädagogen und Stützlehrer, sechs normal bezahlte Arbeitskräfte also, die von ihrer Arbeit leben konnten.
Viele der Jugendlichen kamen aus Problemelternhäusern, etliche waren selbst bereits „auffällig“, als Drogenkonsumenten registriert, als Träger der stärker werdenden Jugendkriminalität auch. Etliche waren Schulverweigerer, denen die Lehrer klar gemacht hatten, sie seien „zu doof“! Etliche, fast alle hatten Versagensängste und keinerlei Selbstbewußtsein. Am Anfang, als deren Förderlehrgang begann.
An derem Ende gingen die meisten in eine hoffnungsvollere Zukunft, hatten sich entwickelt, in zwei Jahren soviel gelernt wie in vier Jahren Schule, sind bis an ihre tatsächlichen Grenzen gekommen und viele haben diese verschoben. Wie stolz waren die 10 von 15 Jugendlichen in meinem letzten F2-Kurs, die sich für eine Lehre qualifiziert hatten – okay, eine Lehre in Helferberufen, aber die Jugendlichen waren stolz darauf und blickten nach vorn. Sie waren motivierter als zu Beginn, hatten keinen Schulfrust mehr, wiesen Erfolgserlebnisse auf und waren deutlich selbstbewußter. Sie schauten nicht mehr weg bei der Begrüßung, sie schauten dem Gesprächspartner in die Augen…
Diese teuren Integrationsmodelle hat die SPD in ihrer Regierungszeit abgeschafft, damit wurden etliche von uns Ausbildern, Stützlehrern, Sozialpädagogen selber zu Arbeitslosen und irgendwann von Hartz IV bedrohten… Solche Jugendlichen, die wir seinerzeit betreut haben, sind in der heutigen Zeit von vornherein abgeschrieben. Wer von diesen nach der Schulzeit unmotivierten Jugendlichen schafft es denn, als ungelernter in einem Betrieb von Anfang an sich so normgerecht zu verhalten, dass er dem Betrieb mehr nützt als schadet?
Heute arbeite ich zum Teil mit kriminell gewordenen Jugendlichen in erlebnispädagogischen Massnahmen – viele davon wären für mich gute Förderschüler gewesen, hätten prima in jenes Fördersystem gepaßt und aus etlichen wäre vielleicht ebenso en motivierter junger Mensch geworden. Von diesen gelegentlichen Honoraraufträgen könnte ich nicht mehr allein leben, ohne auf Unterstützung seitens des Staates angewiesen zu sein, also muss ich mir andere Quellen zum weiteren Gelderwerb suchen…
An Tagen, wo alles richtig bescheuert ist, alles daneben ging, da mache ich mir am Abend eine besonders schöne Flasche Wein auf und koche was passendes dazu. Ich schaffe es nicht, mich zu „besaufen“, aber die hohe Form des Genusses durch einen richtig tollen Wein (meist gekauft zu den Zeiten, als es alles noch deutlich besser war…) hindert mich am Aufgeben und macht Mut auf einen neuen Tag. Auch wenn ich weiß, dass dieser nicht besser werden kann, weil die gesellschaftlichen Bedingungen sich nicht über Nacht verbessern. Vielleicht bessern sie sich auch nie… Mit Politikern wie Frau Bätzing mit Sicherheit nicht.
Hohe Alkoholsteuern vernichten Arbeitsplätze und schaffen neues Elend und neuen Grund zum Saufen… Derjenige, der keinen Weinvorrat zum Genuss parat hat, geht an schlechten Tagen in den Discounter und holt sich billigsten, krankmachenden Fusel. Und er genießt nicht, er betrinkt sich – um sein Elend zu vergessen. Und dieses Elend fängt ihn Tag für Tag erneut ein…
Elend wird nicht durch Alkohol geschaffen, Elend wird geschaffen, in dem einem Menschen die Chance auf ein lebenswertes Leben verwehrt wird. Elend wird geschaffen, wenn ein 1 Euro Jobber in einer Schule Schulsozialarbeit leisten soll, wenn jemand hart arbeitet und die Kosten für den Job den Lohn auffressen, wenn jemand erkennen muss, dass es nie wieder aufwärts gehen wird, wenn sich jemand als chancenloses Mitglied dieser Gesellschaft begreift.
Elend wird nicht geschaffen, wenn ein das Gehalt eines Mißmanagers auf 500000 € im Jahr begrenzt wird. Auch wenn jener sich elend fühlt…
Politik sollte Elend verhindern und vermeiden, nicht Elend schaffen. Die Politik der letzten 10 Jahre aber hat Elend geschaffen und das Elend in Deutschland wird täglich größer. Man muss nur mal genau hinschauen, herausgehen aus den Villenvierteln und Schicki-Micki-Szene-Bars…
Auch die Drogenbeauftragte Frau Bätzing hat sicher das steigende Elend wahrgenommen, hat sicher die Zahlen richtig erfasst, aber hat sie sich mit betroffenen jungen Komasäufernjemals unterhalten? Hat sie jemals gefragt, warum sie das tun? Oder hat sie in ihrem Villenviertel von besserverdienenden Politikern festgestellt, das sei alles nur so, weil der Alkohol in Deutschland zu billig sei?
Frau Bätzing´s Aufgabe ist es, Ideen zu finden, die den Drogenkonsum entgegenwirken… Eine hohe „skandinavische“ Steuer hindert auch in Skandinavien niemand am Saufen… Verbote, strengere Jugendschutzgesetze helfen ebenso wenig.
Das einzige was helfen würde, wäre den Menschen wieder Mut auf eine Zukuft zu machen, Ihnen eine Chance auf ein Leben außerhalb des Elends zu bieten.
Frau Bätzing aber scheint dieses Thema komplett verfehlt zu haben. Leider ist sie in der Politik damit nicht alleine…
http://www.alkoholsteuer-nein-danke.de/
Hier ist die Initiative des Winzers Dirk Würtz mit einer Petition gegen jene Idee der Alkoholsteuer, die ich hiermit ausdrücklich unterstütze und ich bitte alle deutschen Staatsangehörigen, die hier meine Zeilen gelesen haben, dieses auch zu tun. Zeigt, dass ihr dagegen seid, dass wieder einmal der Bock zum Gärtner gemacht werden soll!