Immer mal wieder gab es irgendwo eingestreut eine Flasche Priorat aus dem Aldi oder aus dem Lidl. Manchmal verblüffend gut, manchmal enttäuschend, immer aber unzuverlässig, denn zum Einen hat man lange Jahre die Politik des Schweigens gefahren und es war nicht auf den Etiketten erkennbar, woher die Weine denn nun eigentlich stammen, zum anderen zeigte es sich im Erfahrungsaustausch mit anderen Weinfreunden, das es hier immer wieder riesige Flaschenvarianzen gab.
Wenn zwei an unterschiedlichen Orten zur selben Zeit den gleichen Wein öffnen, haben sie nicht beide dasselbe im Glas, wie es sich vermuten ließe… Die Abweichungen sind auch zu gravierend, als das man nur von subjektiver Wahrnehmung sprechen kann. Grade, wenn ich mit Leuten – die ich gut, vielleicht sogar persönlich kenne und deren Vorlieben, Punktemodelle, Beschreibungen ich kenne -, die gleichen Flaschen trinke, dann fallen grobe Differenzen schon auf.
Aber dieses leidige Thema will ich hier auch gar nicht wieder aufwärmen, zu oft schon wurde das angerissen und ausdiskutiert.
Das Erfreulichere, was es in dieser Szene zu beobachten gab, ist, dass man nunmehr auch Erzeuger / Abfüller auf den Etiketten nennt. Für jemanden, der wie ich fast jeden Keller im Priorat kennt, schafft das etwas mehr Verbrauchervertrauen, weil ich dann weiß, wo der Wein gemacht worden ist, dazu Bilder und Verantwortliche, dort arbeitende Önologen vor meinem Auge habe. Einfach ein Stück mehr Transparenz, welches grade bei Wein nicht unwichtig ist.
Heutzutage muss sich kein Erzeuger im Priorat mehr verstecken, wenn er eine Basiscuvée für kleines Geld macht und abfüllt. Wenn Anlagen und Kellerkapazitäten damit besser ausgelastet werden, dann ist das okay und ob die für die großen Weine aussortierten Trauben nun billigst verramscht werden oder man damit einen trinkbaren, aber billigen Wein herstellt, das ist gleich. In anderen Weinregionen wird das nicht anders gemacht.
Nur muss auch der Billig-Priorat sich im Klaren sein, dass er sein Gebiet repräsentiert – und damit meine ich nicht nur schmeckbare Gebietstypizität, Terroir, nein besonders auch schmeckbare Mindestqualität.
In meinem Trinkregal haben sich im Laufe der Zeit 5 Discounter-Prioratweine angesammelt, die irgendwie auch Platz wegnahmen. Lange Zeit hatte ich mich vor diesem Moment gescheut, aber dann rief ich Weindeuter Thomas Range an, der auch dergleichen in seinem Keller liegen hatte und eine parallele Verkostung in Bernburg und Bochum wurde ganz in spontaner Manier durchgezogen.
Hier kann man zum Werdegang und zur Diskussion nachlesen. und wenn der Weindeuter auf seinem Blog auch noch zum Thema schreibt, dann werde ich es auch hier noch verlinken.
Hier jetzt die Verkostungsnotizen von mir zu den fünf Weinen in „geballter Form“:
Cellers Scala Dei; Kaylus Crianca; Priorat – Scala Dei; 2010 rot;
Tag 1: Etwas verwaschenes dunkles Lilarot, Nase anfangs komplette Fehlanzeige. Mit etwas Schwenken eine minimale Kirschlikörnase, macht nicht wirklich Lust auf einen ersten Schluck. Am Gaumen macht er mehr Spaß, allerdings ist die Kirschfrucht etwas wäßrig wirkend und der Wein hat für den hohen Alkohol von 14,5° wenig Körper, aber auch keine sonderliche Eleganz. Einfach ein wenig eines Hungerhakens… – aber immerhin hübsch zurechtgemacht und er kommt ohne Schminke aus. Von allem etwas zu wenig, aber auch ohne jegliche störende Note. Nicht bissig, sondern brav, als hätte er sich die Zähne schon ausgebissen. Leider auch recht kurz, dafür steigt er aber doch ein wenig zu Kopfe… Die ganze Flasche zu trinken könnte fatal werden. Erinnert in der Wirkung an Alkoholische Cocktails, die man gedankenlos weg pichelt, aber wehe, man geht dann an die frische Luft. 85/100 Th. Guter Wein.
Tag 2: Immer noch verhalten in der Nase, immer noch soft und weich am Gaumen, er legt vielleicht am wenigsten zu bislang. Okay für das Geld, aber mehr auch nicht, der gewisse Pep fehlt ihm, von allem zu wenig, am meisten zuwenig Nase. Am Positivsten ist die Frische und in der natürlichen und ungeschminkten Dürren steckt etwas an Balance. Schade, dass hier nur Haut und Knochen auffallen. 86/100 Th. Guter Wein.
Tag 3: Wieder fast gar keine Nase, leider auch weniger als am 2. Tag, so dass ich erneut abwerten muss. Am Gaumen gegenüber keine Vebesserung, die was rausreißen könnte. Somit heute wieder zwei Punkte runter, die allerdings komplett auf´s Nasenkonto gehen, am Gaumen hatte ich schon Schlechteres aus dem Priorat. 84+/100 Th. Guter Wein.
Tag 5: Wow! Hier ist etwas passiert! Heute deutlich am Besten. Die Nase öffnet sich etwas, am Gaumen rund und die Eindrücke der Tage zuvor bestätigend. Aber heute ist auch die Nase erstmals zufriedener mit dem Gebotenen. Heute 88/100 Th. Sehr guter Wein.
85; 86; 84+; 88 = 85,75+/100 Th. = 86/100 Th. Guter Wein.
Cellers Unió; Senorio de Convey; Priorat – Poboleda; 2008 rot;
Tag 1: Der Wein für Lidl zeigt eine erdige, dunkelfruchtige Nase, solide, durchaus ansprechend und sogar einladend. Am Gaumen ausgewogen, mittelgewichtig und mit einer staubigen Mineralik. Eine überraschend gute Performance und am Ende ein exzellentes PGV, selbst für den doppelten Preis wäre dieser Wein okay. Ich honoriere den Wein in der ersten Runde mit 90/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 2: Der Senorio de Convey 2008 von Lidl bestätigt am 2. Tag seine Spitzenposition, erneut die sauberste und intensivste Nase, kann ebenfalls leicht zulegen und ist durchau ein schöner Basispriorat, der neugierig auf das Gebiet machen kann. Typischer einfacher Prioratwein, der einfach gut und unkompliziert zu trinken ist. 91+/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 3: Und auch beim Senorio de Convey 2008 von Lidl brennt am 3. Tag nichts an. Unverändert 91/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 4: Noch immer okay, aber er ist etwas leidenschaftsloser als an den Tagen zuvor. Glatt und etwas zu schmalzig lächelnd. Für „Sehr Guter Wein“ reicht es aber dennoch. 88/100 Th.
90; 91+; 91; 88 = 90+/100 Th. = 90/100 Th. Sehr Guter Wein.
Mas d´en Cosme Viticultors; El Patio; Priorat – Gratallops; 2008 rot;
Tag 1: Der Wein für Aldi lehnt sich ebenfalls gut aus dem Fenster, die Nase nach Schwarzkirschen und süßlicher warmer Fruchtsuppe wirkt anfangs etwas anbiedernd, aber mit Luft wird die Nase ernster. Am Gaumen klar und priorattypisch mit einer sehr schönen Kirschfrucht, leichter bis mittlerer Körper, baut sogar ein wenig Druck auf. Auch hier ein sehr gutes PGV, man erhält einen Wein, der mehr als die geforderten 6 € wert ist, auch 8 bis 10 € wären okay für den Wein aus dieser Flasche. 89/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 2: Der El Patio 2008 (Aldi) ist heute in der Nase sehr grenachebetont, auch am Gaumen habe ich Erdbeer- und Himbeernoten, aber auch die typische Llicorella – Mineralik. Der Wein ist balanciert, leicht und ausgewogen. Für das Geld eine überzeugende Performance. 90/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 3: Der EL Patio 2008 überrascht heute am 3. Tag. Erneut dominiert die Grenachefrucht in der Nase, die heute richtig schön offen ist. Das ist dann doch schon eine ganz andere Liga als die drei Weine zuvor, auch wenn es keine Zauberflasche ist. Aber er ist richtig schön zu trinken, zeigt einige aromatische Finessen und steht auf einer Stufe mit vielen richtig guten Basisweinen aus dem Priorat aus der 10 bis 15 € Klasse. Erstaunlicherweise braucht er diese Zeit, um auf Hochtouren zu kommen… Sehr solide,was aus dieser Flasche kommt. 91/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 5: Auch er hat seinen Zenit etwas überschritten, bleibt aber als Alltagswein anständig zu trinken. Will aber heute unbedingt etwas zu Essen dazu. Mit Schinken dann auch besser als ohne. 88/100 Th. Sehr guter Wein.
89; 90; 91; 88 = 89,5/100 Th. = 90/100 Th. Sehr guter Wein.
??? (R.E.29.05.300/CAT)???;Vinya Carles; Priorat – El Molar; 2007 rot;
Tag 1: Der Lidl Wein ist wie ein schwerer wuchtiger Block an der Nase, in der Brombeerlikörfabrik hat jemand eine Tafel bitterste Schokolade zerbröselt, ein paar alte Strohmatten liegen auch noch rum, am Gaumen ein ebenso monolithischer Block mit etwas dumpfen Tönen, die süße Frucht des 2007ers ist im Ansatz erkennbar, aber ein Tanninwall und jede Menge bittere und eben auch schwere likörige Noten verhindern den Trinkfluss, das Glas muss ich nicht austrinken, es sei denn, ich würde mir die Kante geben wollen. Unausgewogen, klotzig und grob – dagegen wäre jetzt eine TINA41 aus selbem Jahrgang eine absolute Erholung. Die fast schwarze Farbe ist noch das Beste am Wein. 77/100 Th. Mehr wird es für heute beim besten Willen nicht. Kleiner Wein. Null Spaß. Und eigentlich das bisschen Geld, was er gekostet hat auch nicht wert.
Tag 2: Noch immer eine sehr dunkle Nase, sehr wuchtig wirkend, aber er beginnt sich ein wenig zu harmonisieren, die Strohmatten hat jemand weggeräumt. Am Gaumen aber noch immer unharmonisch und nicht wirklich Freude machend. Die Säureattacke ist heute deftiger, aber dem Wein fehlt es an Rückgrat und Körper. Dennoch kann er gut zulegen am 2. Tag und bringt es heute auf immerhin 81/100 Th. Guter Wein.
Tag3: Der Vinya Carles 2007 bei mir zeigt sich dann am dritten Tag schon wieder auf dem absteigenden Ast. In der Nase zwar unverändert zum 2. Tag, aber am Gaumen heute durch eine fast beißende Säure schon wieder weiter ins Unharmonische gleitend. Ich spucke da lieber, als das ich trinke. Wem es nur um den Rausch geht, der darf gern austrinken, denn das sollte klappen… Genuss aber geht anders. 79/100 Th. Kleiner Wein.
Tag 4: Die gute Nachricht – er hat nicht noch weiter abgebaut. Die schlechte Nachricht: Er hat nicht wieder zugelegt. Es bleibt bei 79/100 Th.
77; 81; 79; 79 = 79/100 Th. = 79/100 Th. Kleiner Wein.
Mas d´ en Cosme Viticultors; Montecastillo; Priorat – Gratallops; 2007 rot;
Tag 1: Auch Aldi hatte damals keinerlei Gespür für einen passenden Namen gehabt, vom Namen her hätte ich eher auf La Mancha als auf das Priorat getippt.
Nicht einladend, aber auch nicht so abweisend wie der Carles. Eher vielleicht etwas verschlossen. Auch eine schwere likörige Nase, aber ohne dass jemand seine ollen Strohmatten liegen lassen hat. Am Gaumen überraschend säuerliche Noten, aber weniger an Llicorella Mineralik erinnernd, eher an süß-saure asiatische Küche. Gewöhnungsbedürftig, aber hat was nach dem unzugänglichen Block. Leichte Disharmonien am Gaumen, das Tannin zeigt an, dass der Wein noch nicht weg müßte, die süße Frucht ist am Anfang da, das Säuerliche ist das, was am Ende bleibt neben dem Tannin. Wirkt auch eher grobschlächtig, aber bemüht sich darum, nett aufzutreten. Dennoch hätte ich mir auch hier mehr versprochen. 84+/100 Th. Guter Wein. Sein Geld vielleicht gerade so wert, aber man hätte es sich auch sparen können.
Tag 2: Der Aldi – Wein ist immer noch etwas verschlossen in der Nase, es ist, alle wolle man die eigentlich guten aromatischen Ansätze mit einem Mantel zudecken, hoffentlich ist es nicht der Mantel des Schweigens…
Am Gaumen heute durchaus angenehm, nichts Großes, aber durchaus akzeptabel. Von allem nicht viel, aber er findet heute seine Balance und strengt sich an, dem Gaumen einen kleinen Alltagsgenuss zu bereiten. Ist auf einem positiven Weg. Hat sich ebenfalls um einiges verbessert und steht heute bei 87+/100 Th. Guter Wein. Sein Geld heute auf jeden Fall wert, wenn auch nicht viel mehr als dieses.
Tag 3: Hier können wir es recht kurz halten – unverändert zu Tag 2. 87+/100 Th. Guter Wein.
Tag 5: Inzwischen etwas säurelastig und hart am Gaumn, in der Nase aber ansprechender – gleicht sich unter dem Strich aus und bringt erneut 87/100 Th. Guter Wein.
84+; 87+; 87+; 87 = 86,25+++/100 Th. = 86/100 Th. Guter Wein.
Das Ranking:
Kleiner Wein
??? (R.E.29.05.300/CAT)???;Vinya Carles; Priorat – El Molar; 2007 rot;
79/100 Th. = 79/100 Th.
Das gezahlte Geld nicht annähernd wert.
Gute Weine
Cellers Scala Dei; Kaylus Crianca; Priorat – Scala Dei; 2010 rot;
85,75+/100 Th. = 86/100 Th.
Mas d´ en Cosme Viticultors; Montecastillo; Priorat – Gratallops; 2007 rot;
86,25+++/100 Th. = 86/100 Th.
Die von mir getrunkenen Flaschen waren ihr Geld geradeso wert, mehr aber auch nicht.
Leider bin ich zu verwöhnt, um so etwas freiwillig gern öfter trinken zu wollen. Wobei die Betonung auf gern liegt.
Lieber eine doppelt so teure Flasche trinken, dafür aber statt zweien nur eine – das tut der Leber gut, aber auch dem Genuss-Sinn.
Und dass man bei Priorat Weinen nicht so schnell Angst haben muss, dass der Wein „umkippt“, das beweisen ja selbst diese Discounterflaschen. Was also hindert daran, weniger, aber besser zu trinken?
Sehr gute Weine
Mas d´en Cosme Viticultors; El Patio; Priorat – Gratallops; 2008 rot;
89,5/100 Th. = 90/100 Th.
Cellers Unió; Senorio de Convey; Priorat – Poboleda; 2008 rot;
90+/100 Th. = 90/100 Th.
Diese beiden Bernburger Flaschen, eine aus dem Aldi, eine aus dem Lidl, komischerweie beide aus 2008 waren ihr Geld dann schon wirklich mehr als wert. Bei diesen jetzt getrunkenen Flaschen kann man durchaus von Discounterschnäppchen sprechen. Nur kann es eben passieren, dass der nächste Verkoster genau das Gegenteil behauptet. Leider kann man von dieser Notiz nicht die generelle Empfehlung abwandeln.
Das waren eher die kleinen Gewinne, die man mal machen kann, aber in einer Lotterie, wo es auch etwas zu verlieren gibt. Und genau das hindert mich dann doch, mehr Geld dort hin zu tragen, um diese Weine kistenweise zu kaufen. Die Wahrscheinlichkeit, das man seinen Wein wieder erkennt, ist bei einem kleinen Winzer mit kontrollierter Menge an Weinen doch höher.
Man kann die Discounter – Prioratweine weder verteufeln noch empfehlen, es gibt zuverlässig schlechtere Weine unter den billigen aus dem Priorat, aber es gibt jede Menge Weine, die ihr Geld mehr wert sind, auch wenn sie erst mal mehr kosten. Aber der Genuss-Mehrwert ist das, worum es uns gehen sollte – schließlich hat niemand von uns ewig zu leben…
Wie ich hier aber auch gesehen habe – man kann durchaus mal Glück haben und ein wenig Spaß mit dem einen oder anderen der Weine haben. Aus Neugier mal eine Flasche mitzunehmen, das kann man machen. So wie jeder von uns mal gern ein Los zieht.