Am Sonntag müssen wir trotz der ausufernden Probe zeitig raus. Diejenigen, die noch diverse Flaschen und Kisten Weine in ihre Autos laden wollen, kommen noch einmal auf einen Sprung nach dem Frühstück vorbei und werden beim Einladen der zuvor schon bereit gestellten Weine Zeugen eines beeindruckenden Katzenkampfes zwischen Lucy und Kiki, einer äußerst frechen , noch jungen Nachbarskatze, die Lucy gern zur Freundin und Spielgefährtin hätte, was Lucy aber nicht will. Sie sieht in Kiki nichts weiter als einen bösen Eindringling, der fern gehalten werden muss.
Ich kann letztlich die Situaton nur entschärfen, in dem ich die Rollläden runterlasse, so dass sich die beiden Katzen erst einmal nicht mehr sehen.
Wir sehen dann aber auch bald unsere Weinfreunde nicht mehr, die dann die Heimwege antreten – und wir selbst müssen zusehen, dass wir rechtzeitig in unsere Folterkammer der Burg Rabenstein zurück kommen, denn der Sonntag ist erneut Weihnachtsmarkttag.
„Pünktlich“ kommt auch das Regenwetter wieder, was dann auch dazu führt, dass nicht ganz so viele Ausflügler von weiter her kommen. Und die aus der näheren Umgebung scheuen sich oft, mal eine Olive zu probieren oder gar einen Wein zu testen. (Manchmal kommt es sogar zu grotesken Momenten, z.B. am letzten Wochenende antwortete mir eine junge Frau allen Ernstes auf meinen Satz hin:„Probieren Sie ruhig mal eine Olive“ „Nein danke, ich trinke keinen Alkohol…“, und verschwand ganz schnell.)
Dann kommt aber doch der eine oder ander, der eine Kleinigkeit mitnimmt, und sogar Wein wird mehr probiert und mitgenommen, als man gemeinhin annehmen müßte bei dem wenig zum Ausflug einladenden Wetter.
Später kommt dann noch eine Familie aus Potsdam zielgerichtet in meine Folterkammer. Als eine Kinderstimme begeistert ruft:“Hier ist der Wein-Mann!“, richte ich mich auf jemanden ein, der schon mal da war. Aber es ist jemand, der mich aus dem Weinforum als passiver Leser und von meinem Blog kennt und der nun beschloß, statt Bestellen eines Probepaketes, die Landpartie zu machen, um ein paar Weine direkt mitzunehmen… Endlich mal wieder jemand, der nicht wegen der Folterkammer als erstes zu mir rein guckt…
Wir machen dann pünktlich Feierabend, packen zusammen und fahren dann direkt nach Berlin. Unsere Strecke führt mitten durch das Herz der Stadt und da „Unter den Linden“ gebaut wird, verfriemel ich mich erst mal kurz in den Seitenstraßen zwischen der Friedrichstraße und der Museumsinsel. Aber so bekommt Jaume schon mal einen Teil von Berlin bei Nacht zu sehen.
Zu Wolf, der uns eingeladen hatte, finde ich mich dann doch besser als angenommen und es ist sogar direkt ein Parkplatz für uns frei. Es wird ein sehr netter Abschlußabend im kleinen Kreis für Jaume.
Für Wolf als Bordeaux-Liebhaber habe ich meine erste von drei Flaschen 1996er Pichon – Comtesse eingepackt, weil wir uns im Weinforum dazu ausgetauscht hatten und er signalisiert hatte, dass er gern von dieser Flasche probieren würde… Er selbst stellt einen 1998er Ducru .- Beaucaillou dazu und wir haben noch Reste von zwei auf der Burg Rabenstein geöffneten Weinen, mit denen wir beginnen.
Zunächst ein 2010er Gaubanca Rosat vom Celler Pahí, der dann sogar Wolf begeistern kann – obwohl weder Rosé noch Priorat seine bevorzugten Baustellen sind. Der rote Château Masburel 2005 dann schon eher, denn das trifft schon den Geschmack von Bordeaux-Freunden. Man hätte auch mit Weinen auf diesem Niveau einen durchaus vergnüglichen Weinabend gehabt, aber man soll die Feste feiern…
Und die beiden Superseconds machten ihrem Namen schon alle Ehre. Der 1998er Ducru Beaucaillou brauchte ein wenig Zeit, um so langsam aber sicher ins Rollen zu kommen.Ein exzellenter bis großer Bordeaux – Wein, wie ich sie leider nicht immer in meinem Glas vorfinde.
Ganz weit oben dann aber die 1996er Pichon Comtesse – ein durchaus würdiger Wein zum Abschluss einer solchen Woche und so ziemlich mit das Größte, was ich bislang aus Bordeaux hatte. Einer der ganz seltenen Weine aus dieser Region, wo ich auch begeistert Weltklassewein rufe. Sicher gibt es davon einige, aber eben unbezahlbar und dafür auch nicht unbedingt in meinem Keller zu finden.
Jaume strahlt über das gesamte Gesicht.
Auf die Entscheidung hin „Ausschlafen oder Wecker und Berlin angucken?“ kommt dann seinerseits doch „Ausschlafen“. Und so handhaben wir es dann auch, ich muss nur mal raus, eine Münze in den Parkautomaten werfen, damit ich keine böse, unliebsame Überraschung vorfinde, aber auch ich gebe dann noch ein paar Minuten Dösen drauf.
Nach dem Frühstück haben wir dennoch Zeit für ein ganz klein wenig Berlin. Das Auto steht kostenlos im Tiergarten und Jaume stimmt mir zu, als ich sage, das Berlin hier für mich am Schönsten ist. Den Reichstag lassen wir links liegen, durch das Brandenbuger Tor marschieren wir ein, beobachten die Straßengaukler in verschiedenen Uniformen, die ausländischen Touristen und Schulkindern ihre Sicht auf neuere Berliner Geschichte beibringen, Jaume braucht ein paar typische Berliner Souveniers für seine Kinder und es wäre schön, noch vor dem Abflug etwas zu essen.
Natürlich fehlt uns die Zeit, irgendwo einzukehren, wo man erst auf die Speisenkarte warten muss.
Eine einfache Berliner Straßenboulette oder Currywurst wär auch nicht das Richtige bei der Kälte und dem Anlass – und durch Zufall stoßen wir auf Lindner-Esskultur in der Friedrichstrasse.
Hier gibt es verschiedene durchaus hochwertige und gut gemachte Imbiss Köstlichkeiten. Wir lassen uns ein Mandelknusperschnitzel, einen Süßkartoffeltaler und einen Salat mit roten Linsen, Apfel und Hähnchenbrust auf die Teller packen – witzigerweise bezahlen wir hier alles nach Gewicht – und ich hätte nicht gedacht, dass wir es zum Schluss doch noch mal so gut schmecken lassen können…
Der Rest ist Geschichte – die Fahrt zum Flughafen, der herzliche Abschied und das Nach-Hause -Kommen für uns beide…
Was bleibt, sind unzählig schöne Erinnerungen an eine intensive wie tolle gemeinsame Woche, an Begegnungen mit vielen Weinfreunden und jeder Menge großer Weine auf den Tischen. Und eine Freundschaft, die nun durch eine derartige schöne gemeinsame Woche umso fester ist.