Wie schnell doch schlechtes Wetter die Moral kaputt macht. Oben in Soldeu tanken wir und machen einen Fahrerwechsel, nachdem wir gesehen haben, dass uns von der spanischen Seite her wettermäßig noch deutlich mehr Unheil erwartet. Deutlich langsamer als gewollt müssen wir uns abrollen lassen, denn wir wollen schadlos ankommen. Als weiter unten der Schnee endlich wieder in Regen übergeht und die Straßen nicht mehr glatt oder matschig, sondern nur noch nass sind, bin ich zwar schon erleichtert, aber längst noch nicht zufrieden.
Der Regen macht, dass wir nicht in Andorra anhalten wollen – Norbert und Wera waren zwar somit da, aber gesehen haben wir de facto nichts außer schlechtem Wetter. Auch nach der Einreise nach Spanien regnet es weiter, müssen wir langsamer und vorsichtiger fahren und verlieren Zeit. Zudem meldet sich der Mittagshunger, aber wir riskieren, dann unseren Winzer zu versetzen. Außerdem müßten wir uns nassregnen lassen, wenn wir irgendwo anhalten würden, um essen zu gehen. Schirme seine zwar an Bord, aber wo?
Der letzte Kanten Brot aus Frankreich muss herhalten. Als es im Becken von Tarrega endlich trocken ist, ist es zu spät, um noch fürs Essen anzuhalten – das Navi berechnet eine Zeit, die auch ohne Anhalten am oberen Limit unseres Zeitplanes ist. Allerdings hab ich auch keine Ahnung, wo es uns wieder langschicken will. Als mir dann eine neu gebaute Straße in die Quere kommt, das alles entscheidende Hinweisschild fehlt und ich mich am liebsten auf einer echten Karte orientiert hätte, meint Norbert nur, ich solle weiter fahren, das Navi wisse Bescheid. Ich wußte instinktiv nur, dass wir uns vom Ziel mehr entfernen als annähern und die angezeigte Zeit kommt mir auch spanisch vor…
So müssen wir erst bis kurz vor Montblanc fahren, bevor wir wieder auf unsere Strecke, die ich im Kopf habe, kommen. Zudem ziehen schon wieder düstere Wolken am Himmel auf, ich habe immer noch Hunger, denn ich will nicht auch noch beim Fahren rumkrümeln, das Navi, was mich immer ganz wo anders lang schicken will, macht mich nervös und Hunger macht bekanntlich böse. Innerlich ruhiger werde ich erst, als eine mir bekannte Straße mir das Gefühl von Sicherheit gibt, dass wir nun auf dem richtigen Weg sind – wenig später sind wir in El Vilosell und stehen vorm Keller von Tomàs Cusiné.
Ich darf nun endlich erstmal ins Brot beißen und ein bisschen Käse gibt es auch noch auf die Faust und dann heißt es den Keller entern, von dem Wera schon mal ein erstes Foto gemacht hat.
Erstmals konfrontiert mit Weinen von Tomàs Cusiné wurde ich bei Besuchen im Priorat – ich glaube, Chris hat bei einer Verkostung in Tarragona einst mal einen Wein mit auf dem Tisch gehabt und auch mit Charles von La Perla habe ich mal einen El Vilosell getrunken, den er gekauft hatte, weil er das Etikett witzig fand.
Auf der Vinisud 2008 habe ich dann die Weine verkostet, allerdings wurden sie mir von einem benachbarten Stand aus dem Montsant ins Glas gegossen, da die Cusiné Leute grad zu Tisch waren. Tomàs Cusiné lernte ich dann später auf einer „Wein und Vinos“ Verkostung kennen und er lud mich ein, Halt zu machen, wenn ich mal wieder durch El Vilosell kommen würde. Et voilá, da sind wir…
Der Meister will uns selbst führen, wir müssen uns noch einen Augenblick gedulden. Wir schauen uns im schön dekorierten Verkostungsraum um, ich erkläre Norbert die geografisch-geologische Situation und Wera macht Fotos.
Wir bekommen dann eine sehr ausführliche Führung durch den Keller und Tomàs Cusiné beantwortet all unsere Fragen.
Die Weine gehören zur DO Costers del Segre. Diese DO ist allerdings weitläufig zersplittert und die Unterteilung in die verschiedenen Sub-Zonas macht Sinn, denn schließlich gibt es aufgrund der Weitläufigkeit gänzlich unterschiedliche Charaktere. Die DO muss man sich vorstellen wie lauter Inseln im einem Meer rings um Lerida… Die Subzona um El Vilosell ist in unmittelbarer Nachbarschaft zur DO Montsant und zur DO Conca de Barbera gelegen.
Wir erfahren auch, das Tomàs Cusiné die anderen prestigeriechen Weine der DO mit zu verantworten hatte, sowohl der Cervoles als auch Gotim Bru und Co. sind quasi seine Kinder. Dieser Keller in El Vilosell aber ist nun sein gänzlich eigenes Projekt. Wir verkosten die gesamte Palette der Weine und nehmen auch noch mal etwas für den ungewissen ersten Abend in Cornudella mit – denn ehe wir ankommen, werden die Geschäfte wohl schon geschlossen haben.
Am Schluß macht Wera natürlich noch ein Foto mit dem Winzer zur Erinnerung.
Als wir aus dem Keller kommen, ist es schon am Dunkel werden und Tomàs empfiehlt uns die neu verbesserte Straße hoch nach Vilanova les Prades zu nehmen, statt die kleine romantische, die spektakuläre Blicke auf die Rückseite des Montsantmassives frei gibt und die die Fahrt über die atemberaubende Cresta de la Llena erlaubt. Er hat recht, wir hätten bei der Fahrt um diese Zeit von beidem so wenig gehabt, wie von der Durchfahrt durch Andorra…
(Fotos im Post N+WK)