Kaum sind wir einige Kilometer gefahren und beginnen den Aufstieg in die Gebirge, da fängt es an mit regnen. Und je höher wir in Richtung Vilanova les Prades kommen, desto mehr regnet es. In diesem Dorf, welches noch außerhalb der Comarca El Priorat liegt, wird Norbert erstmals mit den total engen Straßen der Orte hier konfontiert. Seine Abstandswarner fiepsen im Dauerzustand. Mich würde das auf Dauer eher verrückt machen, als mir Ruhe und Sicherheit zu vermitteln.
Regelrechte Sturzbäche kommen uns auf der Straße entgegen bzw. überqueren diese, es schüttet inzwischen so stark, dass der Scheibenwischer zu versagen droht, wir werden mit ungeheuren Wassermassen in der Comarca Priorat empfangen, dazu ist es inzwischen stockdunkel und die kurvenreichen Straßen verbieten selbst im Trockenen und bei Tage Geschwindigkeiten, die höher als 40 km/h sind. Es sei den, man wohnt hier und ist als Harakiri unterwegs. Nun kommt das Ganze auch noch als Gewitter – Für die Sekundenbruchteile der Blitze wird es taghell. Norbert und Wera erchrecken sich und ahnen das Szenario der Landschaft. Wenn aus den Lautsprechern jetzt die Songzeile „this is The Road to Hell“ gekrochen wäre, niemand hätte daran gezweifelt, selbst ich in dem Moment nicht, obwohl ich noch immer fest daran glaubte, dass wir ins Paradies führen…
Ulldemolins und Albarca wirken wie Gespensterorte bei diesem Wetter, dann heißt es noch mal 6 km viele Kurven, hoch und runter. Als Norbert entnervt fragt, wie weit es denn noch sei, tauchen die Lichter von Cornudella auf…
Aber es ist noch nicht gegessen, ich wußte nicht, dass der Platz vor dem Fonda El Reco, zugleich der Marktplatz des Fleckens mit Pollern so abgesperrt ist, dass man nicht raufkommt, noch wenden kann. Ich lasse Norbert an der hinteren Arkade halten, durch die Arkadengänge kommt wenigstens kein Wasser von oben, wobei das von unten reicht. Habe ich eigentlich festes Schuhwerk eingepackt, denke ich, in Sandalen durch die Gegend schlürfend und deprimierenderweise stelle ich fest, was ich in Bernburg vergessen habe.
Im Fonda El Reco erwartet man uns schon. Zu meiner Ernüchterung muss ich aber gleich feststellen, dass unsere Ferienwohnung doch nicht in Nachbarschaft zur Gaststätte liegt. Der Senior des Hauses bedeutet Norbert, dass er irgendwie wenden muss und setzt sich dann auf meinen Platz, um Norbert durch die engen Gassen des Dorfes zu lotsen. Ich muss hinter dem Auto herlaufen. Glücklicherweise gibt es eine kleine Regenpause und das Wasser kommt nur von unten.
Wir schaffen es sogar, das Auto in dieser Regenpause zu entladen – unser Domizil liegt am anderen Ende des Dorfes, hoch oben gelegen, ein schönes mehrstöckiges Haus mit zwei großen Ferienwohnungen und einem Ferienzimmer. Norbert und Wera haben zwei Schlafzimmer, einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit Kochecke, ich habe das große Zimmer im obersten Geschoß mit Panoramabalkon – da es aber wieder regnet, muss ich da jetzt nicht raus…
Die Zimmer sind ansprechend, gemütlich und sehr sauber. Hier läßt es sich richtig wohlfühlen und man kann die Unterkunft auch besten Gewissens weiterempfehlen.
Wir haben mit Halbpension reserviert, müssen also noch mal durch den inzwischen wieder einsetzenden Regen zum Restaurant – dort sind wir die einzigen Gäste. Nach einer sehr guten und typischen Escudella – hier aber als Vorsuppe gereicht, gibt es ein Steak mit Fritten, nicht grad so typisch katalan. Mein Fleischstück ist dabei augenommen zäh und ungenießbar – ist wohl halt nicht mein Tag heute… Auch der Wein, der dazu gereicht wird, ist in unseren Augen eigentlich eher untrinkbar, wir schaffen zu dritt die Flasche nicht, hätte ich werten müssen, wären da um die 70/100 Th. bei rausgekommen. Es handelt ich um einen 2002er Wein vom Celler Malondro. Ob der einfach schon zu alt war oder nie besser war, ich kann es nicht sagen, es ist die erste wissentliche Begegnung mit diesem Wein und diesem Erzeuger. Und da es bei der Fira zu wenig Zeit hat und man aussuchen muss, werde ich den Celler Malondro wohl auch „aus“-suchen, um dort nicht meine Zeit zu vertun.
Wir erfahren, dass es im Fonda El Reco keine umfangreiche Weinkarte gibt – aus ökonomischen Gründen… – aber wir dürfen uns gern Wein mitbringen und es werden auch richtige große Gläser in Aussicht gestellt. Wir müssen also nicht jeden Tag aus ökonomischen Gründen servierten Malondro 2002 aus billigen Bistrogläsern über uns ergehen lassen.
Gut, dass wir das erfragt haben, unsere Gastwirtsleute sind überaus herzliche und freundliche Katalanen – trotz aller Sprachbarrieren kommen wir gut miteinander klar.
Nach diesem ersten niederschmetternden Montsantwein schmeckten die von Tomàs Cusiné mitgenommenen Weine in der Ferienwohnung noch mal so gut…
Später, im Bett bin ich froh, heute nicht irgendwo zelten zu müssen. Der Regen prasselt so gegen die Fensterscheiben, dass ich mich nicht trauen kann, das Fenster zu öffnen. Als ich nachts wach werde, weil ich plötzlich das Regengeräusch vermisse, öffne ich es dann doch, der Himmel sieht so aus, als sei es überstanden…