Dann geht alles ganz schnell, der Einlass zur Carignan – Nacht beginnt und schon stehen wir mit Armband, Verkostungsheftchen und Glas am ersten Verkostungstisch. Als Extra – Zugabe gibt es in diesem Jahr einen Hut. Nun denn, setzen wir uns mal einen Hut auf, warum nicht…
Yvonne mit Carignan – Nacht – Hut.
Auch Hans und Klaus-Peter sind stolze Hut-Träger.
In der Größe des Platzes verläuft es sich tatsächlich ein wenig mehr als oben an der Kirche. Natürlich ist jeder, der in Porrera kommerziell Weinbau macht, hier mit seinem Stand gleichberechtigt vertreten. Niemand hat einen extra großen VIP-Stand, alles ist wie immer sympathisch einheitlich, der Große und Berühmte hat dieselbe Chance wie jedes junge neue Projekt und auch das gibt es wieder zur Genüge, es werden jedes Jahr mehr und mehr Keller. Dieses Mal werde ich nicht nur den Gastkeller auslassen müssen, nein auch ein neuer Erzeuger geht mir durch die Lappen, als ich zu fortgeschrittener Zeit bei diesem Stand ankomme, ist der Stand bereits verwaist. Man sollte überlegen, eine halbe Stunde oder eine Stunde länger zu öffnen, damit sich das etwas entspannt.
An jedem Stand gibt es natürlich ein Hallo und große Wiedersehensfreude allerorten. Viele wissen auch Bescheid über mein zeitweiliges Aus im letzten Sommer und freuen sich umso mehr, mich recht putzmunter anzutreffen, aber die Freude ist natürlich auch ganz meinerseits.
Wie alt ich inzwischen mit dem Priorat geworden bin, wird mir vor allem an den Ständen bewusst, wo das junge Volk übernommen hat bzw. mit mischt.
Mehrere kleine Geschichten fallen mir ein, zu jungen Leuten, die ich lange, zum Teil sogar aus ihrer Kindheit kenne, und die heute mit im Mittelpunkt des Geschehens sind. Ich erinnere mich beispielsweise an einen halbwüchsigen Jungen, der uns am selben Platz, wo wir heute verkosten, einst stolz erzählte, dass seine Mutter eine „berühmte Weinmacherin“ ist. Als wir ihm sagten, dass wir den Nit de Nin bereits seit dem Jahrgang 2004 kennen und lieben, wurde er damals vor stolz richtig groß – heute steht er mit seiner Freundin am Stand von Familia Nin – Ortiz und präsentiert dort den Wein.
Und wir treffen heute einige der jungen Leute hinter den Verkostungstischen an, die wir von früher vom Umzug der Gegantes kannten und die uns vorab nur dort, aber nicht in der Weinszene bekannt waren.
Beim Celler de l´ Encastell treffe ich Isabell wieder, die von ihrer Reise nach Südamerika zurück ist, sie hatte u.a. in Chile und Peru verschiedene Erfahrungen in Punkto Weinbau und Önologie gesammelt und nun ist die junge taffe Frau ganz selbstbewusst am Stand und zeigt die neue Richtung – es gibt sowohl den letzten Jahrgang vom Roquers de Samsó, 2019 noch einmal zu kosten als auch den ersten neuen Vi de Paratge Mas d´ en Cazador aus 2020. Hier natürlich nur den Carinyena.
Wir schwelgen aber auch in Erinnerungen, wo Isabell noch mit ihren Geschwistern und anderen Kindern in leeren Weintanks spielten, während wir verkosteten. So ändern sich die Zeiten…
Insgesamt gibt es drei Vi de Paratges aus dem Mas d´ en Cazador beim Celler de l´ Encastell, einen 100% Carignan, einen 100% Grenache und eine Cuvée aus beiden Rebsorten.
Roquers de Porrera wird vorerst noch weiter gemacht, aber zurück gefahren, denn Roquers de Porrera kann kein Vi de Paratge sein, da dort auch andere Trauben aus dem anderen Weinberg drin sind. Vi de Paratge bedeutet so was wie Einzellagenwein, hierzu sind strengere Vorgaben zu beachten und letztlich ist ein Vi de Paratge Voraussetzung für künftigen Grand Cru-Status einzelner Weine. Die Weichen im Priorat sind also nun gestellt. Man orientiert sich hier am System Burgund mit allgemeiner Appellation, Dorfweinen und dann eben Einzellagen, die nach gewisser Zeit und Nachweis beständig höchster Qualität klassifiziert im Sinne von Premier Cru und Grand Cru werden können.
Entsprechend hoch ist nun natürlich auch hier das gebotene Niveau an diesem Abend. In den folgenden Posts wird es die einzelnen Kurznotizen zu den von mir verkosteten Weinen geben, vielleicht klinkt sich ja auch Klaus-Peter hierzu wieder mit ein.
Der Wermutstropfen an diesem Abend ist allerdings das Essen. Hier waren wir in den letzten Jahren an der Kirche extrem verwöhnt worden, es gab gute Qualität und vor allem ausreichend. Dieses Jahr soll sich ein Restaurant präsentieren, welches mit einem Stern geadelt worden ist. Die Qualität dessen, was ich ergattere, ist auch nicht schlecht, im Gegenteil, das ist schon richtig gut, aber es bleibt eben Mangelware.
Die Winzer an den Ständen werden gut versorgt, sie bekommen exklusiv zig verschiedene Häppchen an die Stände gebracht. Für die Besucher aber bleiben nur geringe Reste, auf die sie sich wie ausgehungerte Geier stürzen. Kommt mal jemand mit einem Häppchentablett, welches nicht für die Winzer bestimmt ist, dann kommt er damit nicht weit. Das war in den Jahren zuvor an der Kirche deutlich besser. Aber man kann bekanntlich nicht alles haben und wir haben schließlich ein strammes Programm mit besten Weinen.
War sehr lecker, aber leider gab es dann auch nicht so viel mehr als das kleine Löffel – Häppchen…
Auch Yvonne ergattert eines der seltenen und begehrten Sterne-Küchen – Häppchen.
Und am Ende versammeln wir uns bei Dic Duran, der noch so manches Fläschchen hervor zaubert, während andere bereits das Feld verlassen haben. So kommt ganz zum Schluss auch wieder ein wenig Partystimmung auf.
Eine Musik-Kapelle gibt es auch, aber die hab ich vor lauter guten Weinen nicht wirklich wahr genommen. Yvonne dagegen macht wenigstens auch einige Fotos von der Band. Sie hat sich mit dem Verkosten aber auch deutlich zurück gehalten, denn sie hat die Aufgabe, uns nachts noch von Porrera nach Bellmunt rüber zu fahren.
Hans und Klaus-Peter dagegen lassen es richtig krachen, denn sie schlafen wie üblich im Auto – keine 200 Meter vom Verkostungsort weg und dieses Mal sind nicht einmal Höhenmeter zu überwinden…