Ich streife durch das alte und urgemütliche Winzerdorf Auvernier und erfreue mich an den wunderschönen alten Häusern.
Hinter einigen der alten Portale verstecken sich auch heute noch Winzerbetriebe, die interessant sein können. So gibt es mit der Domaine de la Maison Carrée noch einen weiteren Talk-about-wine – Tipp, aber auch der Guide Hachette, der ja seit einigen Jahren auch immer Schweizer Weine mit bespricht, empfiehlt neben dem Château d´ Auvernier noch einen weiteren Erzeuger wärmstens, die Domaine E. de Montmollin Fils Bei letzterer stehen die Türen offen und ich komme in einer Zeit, wo die Cave geöffnet ist. Der Chef freut sich, dass sogar ein Deutscher Interesse an seinen Weinen bzw. den Weinen der Region generell hat und ruft seine junge quirlig-nette Önologin herbei, mir die Weine des Gutes nahe zu bringen. Die junge Französischschweizerin hätte auch sehr gut ins Priorat gepaßt, sowohl äußerlich die Garde der Jungen Wilden vertretend, als auch mit ihrer kompromisslosen Qualitätsverfechtung. Und so ist es auch klar, dass wir hier keine schlechten Weine verkosten werden, und sie macht keine Gefangenen mit mir, ich muss mich fast durch die gesamte Palette kämpfen, was ich ebenso interessiert wie tapfer mache. Natürlich muss ich spucken, da ich ja noch weiter will, aber es fällt mir oft richtig schwer.
Ich habe leider keine ausführlichen Notizen machen können, aber ich ordne mal die verkosteten Weine nach meiner Präferenz – also nicht nach der Reihenfolge der Verkostung…
Neuchâtel Pinot Noir 2008 rot (der einfache Pinot Noir ohne Barriqueausbau) – gute 87/100 Th., erinnert an Pinots aus Sancerre und Umgebung, leicht und locker
Neuchâtel Chardonnay Classique 2009 weiß – der einfache Chardonnay macht einfach nur Chardonnay-Spaß – unkompliziert und sehr trinkig – sehr gute 88/100 Th. Schade, dass es noch keinen neuen barriqueausgebauten Chardonnay gibt.
Les Deux Sauvages de Neuchâtel 2007 rot – die zwei Wilden aus Garanoir und Gamaret sind so wild und ungestüm, wie man oft Weine aus Gaillac und Umgebung finden kann. Sehr gute 88+/100 Th.
Neuchâtel Viognier 2009 weiß – eine hier vielleicht etwas exotische Sorte, aber warum nicht, recht leicht und floral parfümiert. Sehr gute 88+/100 Th.
Auvernier Blanc 2009 weiß – der einfache weiße Gutedel / Chasselas outet sich als regionale Spezialität und wäre schon des Mitnehmens wert, würden sie hiervon nicht noch Besseres aufbieten… Sehr gute 89+/100 Th.
Neuchâtel Pinot Gris Classique 2008 weiß – ein sehr schöner Grauburgunder, nicht unbedingt kraftstrotzend, aber sehr schön zu trinken. Sehr gute 89+/100 Th.
Auvernier Blanc Non Filtre 2009 weiß – überzeugt mit noch mehr Rassigkeit als der einfache Chasselas – unfiltriert eben…
Sehr gute 91+/100 Th.
Neuchâtel Oeil de Perdix 2009 rosé – wunderbar erfrischender, aber auch ausdrucksstarker „grauer“ Wein. Muss mit, um nochmal nachprobiert zu werden. Sehr gute 91+/100 Th.
Neuchâtel Extra Muros 2007 rot – sehr gute und harmonische Cuvée aus Pinot Noir, Gamaret und Garanoir 91+/100 Th.
Auvernier Blanc „Goutte d´Or“ 2009 weiß – ein sehr überzeugender Chasselas, wie ich ihn bislang wohl noch nie wissentlich im Glas hatte. Muss noch mal in Ruhe getrunken werden. Sehr gute 92+/100 Th – mit positiver Entwicklung vielleicht sogar exzellent.
Auvernier Pinot Gris, Vendanges Tardives 2008 weiß-süß – wunderschöner Edelsüßer, weniger fett als Vergleichbares aus dem Elsass aber sehr zu empfehlende Spezialität. Sehr guter, später vielleicht exzellenter Wein. 92+/100 Th.
Neuchâtel Pinot Noir, elevé en Barrique 2007 rot – deutlich ausdrucksstärker und komplexer als der einfache Pinot. Im Stil dennoch eher Pinot von der Loire als aus Burgund. Sehr gute bis exzellente 92-93+/100 Th. Will sich im Kofferraum verstecken.
Auvernier Perdrix Blanche 2009 rosé/weiß – der Blanc de Noir aus Pinot Noir erinnert etwas an den Weißen vom Restaurant Piró aus Gratallops, nur dass dieser hier deutlich besser zusammenpasst. Wie ein Weißwein vinifiziert, farblich dennoch mit einem blassen Roséstich. Unbedingt probierenswerte Spezialität! Sehr gute bis exzellente 92-93+/100 Th.
Für die weindurstigen Anwohner und Touristen ist auch noch ein Weinhandel schwerpunktmäßig mit Weinen aus Burgund, Bordeaux, Rhône, aber auch Italien, Chile u.a. angeschlossen. Ab und an kommt mal jemand kurz was kaufen, aber das stört den Ablauf meiner umfassenden Kennenlerntour und die Aufmerksamkeit der Önologin nicht.
Am Ende ist es deutlich später als gedacht und ein weiterer Winzerbesuch ist somit nicht mehr drin. Aber das schöne Portal der besuchten Domaine will noch fotografiert werden.
Ich mag am liebsten einen anderen Weg zum Auto zurückgehen, es bietet sich auch ein kleiner Pfad durch die Weinberge an.
Leider kommt man nicht komplett zwischen den Rebgärten hindurch, sondern landet unweigerlich wieder auf der Grand Rue, die nicht wirklich groß ist, aber eben einzig – und daher muss man auch hier wieder zurück.
Die Weiterfahrt erfolgt dann immer parallel zum See von Neuchâtel, dem man aber selten nahe kommt, dennoch ist die Strecke über weite Teile sehr malerisch. Der See ist der größte komplett in der Schweiz liegende und das merke ich auch, denn ich fahre fast bis zur Spitze bei Yverdon, erst wenige Kilometer davor geht es für mich wieder hoch in die Berge des Jura.
Da es so langsam dunkel werden will, halte ich dann schon mal Ausschau nach einer Biwakiermöglichkeit, aber vor Sainte Croix kommt nichts anständiges. Und auch die Tankstellenpreise in Euro erschrecken mich, wollte ich doch vor Verlassen der Schweiz nochmals richtig volltanken. Aber hier in der Gegend ist entweder das Tanken generell recht teuer oder der Kurs zum Euro ist nochmals deutlich schlechter für Euro-Besitzer geworden…
Und in Sainte Croix sollte es so langsam die letzte Möglichkeit zum Tanken in der Schweiz sein. und die einzige Tankstelle hier oben ist geschlossen und funktioniert nur per Automat. Dieser nimmt zwar 10 und 20 € Scheine, aber keine 50er und dummerweise hab ich grad nur diese zur Hand. Schweizer Franken habe ich gar keine getauscht, konnte ich doch überall bequem auch in Euro zahlen.
Glücklicherweise finde ich am Ortsende einen schönen, anfangs ruhigen Biwakplatz und so werde ich am Morgen drauf mein Glück mit dem Tanken nochmals probieren. Zwar will man hier 1,27 € für den Liter Super (heute Morgen beim Einfahren in die Schweiz oberhalb des Klettersteiges sah ich Preise von 1,18 €), aber wer weiß, welche böse Überraschung mich in Frankreich inzwischen erwartet…?
Dennoch aufgrund des miserablen Verfalls des Euro spart man wohl kaum noch. Der Schweizer Franken ist wohl doch nicht umsonst als sichere und harte Währung bekannt. Aber die verlogene Finanzpolitik Griechenlands muss uns eben doch alle bestrafen. Ob es richtig ist, jedes noch so ökonomisch instabile und arme Land ins Euro-boot zu holen, muss auch ich als überzeugter Europäer so langsam in Zweifel ziehen. Letztlich werden wir mit jedem dieser armen Wackelkandidaten im Schnitt insgesamt schwächer. Und ist eine zukünftige immer stärkere Schwäche Europas wirklich das erstrebenswerte Ziel der europäischen Einigung?
Diese Überlegungen am Trangia – heute gibt es ganz banale Trangia Nudeln mit Paprika, Tomaten, Zwiebeln und Wurst (aber wenigstens alles frisch) und dazu die Reste der Jura-Weine vom Vortag (der Poulsard war bereits mittags geschröpft und ein letzter Rest wanderte in die Nudelsauce.) – wurden dann immer mal wieder von ankommenden Jugendlichen per Rad oder auch zu Fuß kurz unterbrochen, die im Dunkeln meine Aufmerksamkeit erregten – irgendwo muss eine Jugendherberge oder vergleichbare Unterkunft gewesen sein und weiter oben vielleicht noch eine offene Berghütte, wo es noch was zu trinken gab.
Jedenfalls kam erst ein ganzes „Rudel“ hoch und ca. zwei Stunden später kamen sie alle nach und nach wieder runter. Aber danach war es dann wirklich ruhig hier so kurz vor der französischen Grenze. Nur das Wetter begann umzuschlagen…
Lieber Torsten,
ein grosses Kompliment für Deinen Bericht über die Weine aus Auvernier und Colombier. Tolle Beschreibungen und Superbilder! Bravo!
Hallo Yves,
das Vergnügen war ganz meinerseits – es ist auch für mich immer wieder schön und spannend, neue, mir bislang unbekannte Weinregionen zu entdecken.
Beste Grüße an den Bieler See, der sicher auch noch mal dran sein wird…
Torsten
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