Wir frühstücken auf La Perla de Priorat gemeinsam mit Raquel und Charles. Es ist heute ziemlich bewölkt und kühl – am Abend vorher hatte es bei Vollmond ein ziemlich beeindruckendes sehr weit entferntes Trockengewitter bzw. Wetterleuchten gegeben. Im Abstand weniger Sekunden jeweils hell erleuchtete Wolken waren zu sehen, später auch riesige Blitze. Donner gab es nicht dazu.
Hauptgesprächsthema zum Frühstück ist natürlich der Jahrgang 2009, der laut Charles nicht einfach sein wird, aber denen gute Möglichkeiten offeriert, die wie René Barbier und viele andere zeitig begonnen haben zu lesen.
Es gab 2009 einen wohldosierten Regen. Nach einigermaßen starkem Regen im Frühjahr gab es – zumindest hier in El Molar jeden Monat etwa zwei Tage mit ein wenig Wassernachschub von oben, aber nie zu viel. Da es aber viele mikroklimatische Einflüsse gibt, kann es in Poboleda oder Porrera anders gewesen sein. Hier jedenfalls erlaubte der dosierte Regen einen gleichmäßigen und perfekten Zyklus für die Reben. Es war auch nicht zu heiß, bis dann in etwa Mitte August eine fast tropische Hitze einsetzte. Das Sahara-Phänomen, was wir in Andalusien voll zu spüren bekamen, kam bis nach Katalonien, heiße Winde aus Nordafrika brachten enorme Hitzetage, in denen es selbst Nachts kaum runter kühlen konnte. Innerhalb kürzester Zeit erreichten die Trauben entsprechende Reife. Angst vor einer Entwicklung ins Überreife kam vor allem bei denen auf, deren Lagen am Ungeschütztesten der Hitze ausgeliefert sind. Auch ist man inzwischen bestrebt, mehr Frische und Finesse in die Weine hineinzubringen und somit begannen viele Winzer mit einer sehr zeitigen Lese, teils so zeitig wie selten bis nie zuvor.
Die Trauben sind gesund und in sehr gut gereiftem Zustand, wenn sie länger hängen, könnte sowohl weitere Hitze schaden und zu Überreife führen, als auch ein Wetterumschwung mit Starkregen und Abkühlung wäre schädlich. Also lesen, was das Zeug hält – aufgrund der starken Hitze war das bei vielen nur in den zeitigen Morgenstunden möglich.
Charles berichtet dabei bei einer komplett verschobenen Reihenfolge der Lese. Bei La Perla del Priorat begann man in diesem Jahr mit der Lese der Carignan, einer Sorte, die eigentlich meist mit am Schluß gelesen wird.
Ramon Farré von Terra de Verema, mit dem ich mich am Freitag noch einige Minuten unterhalten konnte, hatte Gleiches berichtet. Er hat am 04.09. bereits mehr als die Hälfte der Lese hinter sich gebracht. Und er wird auch auf das Wochenende verzichten, er ist über jeden geernteten Stock froher als über die noch nicht geernteten. Auch er ist für seine Weine davon überzeugt, dass sie in 2009 gewohnte Größe haben werden. Seine Trauben sind optimal. Ramon wirkt gehetzt, etwas übermüdet, aber glücklich…
Auch Charles hat schon den wichtigsten Teil der Trauben im Keller, auch er ist müde und gestresst. Aber er hat seiner Crew für das Wochenende mit vorhergesagten kühleren Temperaturen frei gegeben, damit es Montag frisch ans Werk gehen kann – vorausgesetzt, der Wetterbericht hält, was er verspricht – „das Wetter heute und morgen schadet den Trauben dann nicht“. Ansonsten muss Alarm gegeben werden und die Lesehelfer müssen ran. Dieses Jahr sind keine Rumänen gekommen, dafür aber einige Marokkaner, ansonsten helfe man sich gegenseitig. Da kämen auch schon mal Kollegen aus Dörfen, die noch mit der Lese warten.
Nach dem Frühstück verkoste ich noch einmal in Ruhe mit Charles die von der Venta d´ Aubert mitgebrachten Weine.
Venta d´ Aubert; Merlot; Vino de la Tierra de Bajo Aragón; 2005 rot
Körperreicher etwas hitziger und maskuliner Merlot. Pflaumenmus, reife Eierpflaumen, Rauch und würzige Noten entdecke ich, später auch Brombeere und belgische Pralinen. Die 14° merkt man dem Wein schon an. Er wirkt leicht süßlich, aber nicht überreif, alles in allem ist die Süße eine Komponente in der Vielfalt im Ausdruck dieses typischen Merlots. Im Abgang ein noch etwas trocknendes Tannin.
Will noch liegen oder ein gutes Steak als Begleitung. Sehr gute 92+/100 mit Tendenz zu einem exzellenten Wein, wenn sich die Komponenten im Verlauf der Zeit ineinander fügen.
Venta d´ Aubert; Syrah; Vino de la Tierra de Bajo Aragón; 2005 rot;
Offene, würzige, frische und etwas wilde Nase. Die fast schwarze Farbe wird auch an Nase und Gaumen interpretiert. Hier herrschen schwarze Früchte im Ausdruck dieses körperreichen und konzentrierten Weines, der bei aller Reife und Wärme immer auch harmonisch und frisch bleibt. Süß, aber nicht marmeladig. Ein feuriger und würziger exzellenter Syrah, der vom Stil her mit einer Cuvee Sylla von Borie de Maurel vergleichbar ist. Sehr schön zu trinken. Exzellente 94+/100 Th.
Dann ist für uns bereits Abschied von Charles und Vif angesagt.
(wird fortgesetzt)