Am Morgen des Tages „muy malo“ scheint sogar zum Frühstück die Sonne. Aber als ich dann in Uztárroz nach einer Toilette suche, fängt es an zu regnen. Ein kurzer, aber umso heftiger Schauer, auf den dann gleich wieder Sonne folgt. Die Besichtigung dieses kleinen hübschen baskischen Dorfes bekomme ich quasi gratis… Wenn das nicht extra als sehenswert auf der Karte vermerkte Dorf schon so schön ist, dann sollten die anderen wohl auf jeden Fall den Stopp lohnen.
Wir wechseln am Port de Larrau wieder nach Frankreich, verbleiben aber im Baskenland. Wir sehen nichts – seit etwa der Höhe von 1.200 m sind wir mitten in den Wolken. Die Sichtweite beträgt kaum 15 bis 20 m, dazu haben wir auf der Straße Radfahrer ohne Licht, Kühe ohne Licht und bei der Abfahrt einen völlig von der Situation überforderten Autofahrer aus dem Department Finisterre vor uns – wenigstens hat dieser aber Licht…
Durch Larrau rollen wir hindurch, aber am Abzweig zur Schlucht von Holzarte kommen wir zum Stehen und beschließen, uns hier mittels einer kleinen Wanderung näher umzuschauen. Vom Parkplatz bis zu einer großen, 300 m über dem Wasser errichteten Hängebrücke und wieder zurück sind 1,5 Stunden ausgeschrieben. Der Wanderweg steigt stetig an, wir kommen an einem kleinen Wasserfall vorbei und langsam auf die felsige Schlucht zu. Yvonne ist bergan deutlich langsamer als ich und als es mitten in einem Wiesenabschnitt zu regnen anfängt, liegen zwischen uns ca 200 m. Yvonne stellt sich gemeinsam mit einer Mutter mit Kleinkind unter dem einzig vorhandenen Baum unter, ich erreiche wie der zu jener Familie zugehörige Vater mit seinem etwas älteren Sohn den rettenden Wald.
Ich stelle mich am Ende des Waldes vor einem nächsten Wiesenabschnitt unter – inzwischen gewittert und regnet es sehr doll. Irgendwann dusche ich unter dem Baum, der mir Schutz bieten sollte und zugleich kommt von oben ein Sturzbach auf dem Weg entgegen und umspült bzw. überschwemmt meine Füße.
Zwei völlig durchnässte Spanier erklären mir, dass es bis zur Brücke nur noch etwa fünf Minuten sind. Es ist mir nun alles egal, ich tapse durch den Gewitterregen und „schwimme“ den Sturzbach stromaufwärts. Und endlich sehe ich die Brücke und habe einen Wahnsinnsblick in die Schluchten der Holzarte und der Holhadubi. Die Brücke über der Schlucht ist schwindelerregend hoch und wackelt wie etwas, was man aus Abenteuerspielen kennt. Aber sie bricht nicht zusammen und der Blitz trifft mich auch nicht, als ich langsam über sie gehe, nachdem ich mir die Brille geputzt und das T- Shirt ausgewrungen habe. Aber auch auf der gegenüberliegenden Seite ist kein Unterstand. Also kehre ich um und genieße noch einmal den Blick in die Tiefen der Schlucht.
Es hört auf zu regnen, ich wringe das T-Shirt nochmals aus und ziehe es nicht wieder über. Zurück – so schnell es geht und ehe ich zu frieren anfange.
Der Vater mit seinem Sohn kommen mir entgegen, sie wollen ebenfalls noch bis zur Brücke. Ich dagegen eile zum Parkplatz hinunter, vorbei an dem nun riesig groß gewordenen Wasserfall. Die Mutter mit dem Kleinkind wartet ängstlich am Eingang zur Schlucht, ich beruhige sie, in dem ich erzähle, dass ich den männlichen Teil ihrer Familie wohlauf getroffen habe. Sie ist gemeinsam mit Yvonne von dem Baum aus zurück gegangen, nachdem auch dieser Baum keinen Schutz mehr bot. Yvonne wartet im Auto und ist bereits umgezogen. Auch ich ziehe mir nun trockene und warme Sachen an und wir genehmigen uns noch einen Kaffee im Restaurant nahe des Eingangs in die Schlucht.
Wenige Kilometer weiter wartet die Gorges de Kakouetta, eine ähnlich sehenswerte Schlucht, bei der aber im Gegensatz zur Holzarte Schlucht 4,50 € „Eintritt“ fällig werden.
Warum hier jemand ohne Erbringung einer wirklichen Gegenleistung Millionär wird, will sich mir zwar nicht erschließen, aber ich zahle dennoch brav den verlangten Obolus. Es gibt ja schließlich noch unnützere Institutionen, die einem auch ohne Gegenleistung Geld aus der Tasche ziehen. Und hier oft mehr als nur 4,50 €…
Yvonne will nicht noch mal nass werden und bleibt beim Auto. Sie versucht sogar, die Sachen zu trocknen, was natürlich nicht wirklich gelingt.
Der Wanderweg führt diesmal unten in der Schlucht entlang. Die Schlucht ist sehr stark bewachsen, es herrscht ein fast tropisches feucht warmes Mikroklima. Der Weg ist recht touristisch ausgebaut, aber dennoch sehr interessant. Ich beobachte zwischendrin einen gelben Salamander und rette einen Regenwurm vorm Zertretenwerden.
Begeistert bin ich von der Kaskade und der wenig später erreichten Grotte. Hier bin ich froh, dass ich die Stirnlampe mitgenommen habe. Ich ärgere mich allerdings, dass ich keine Ersatzbatterien bei mir habe, denn hinter dem Schild „Fin de la visite“ entdecke ich oben in der Höhle ein kleines Loch.
Hinter dem großen Stalagmiten geht es fast bequem durch dieses und es folgt ein enger mannshoher Gang – und ich gehe immer tiefer in die Höhle hinein. Drei Mal krieche ich auf allen vieren und quetsche mich durch ein enges Loch, jedesmal folgt ein größerer Höhlenraum, in dem man wieder bequem steht, überall Stalagmiten und Stalaktiten – ein herrliches unterirdisches Paradies. Irgendwann jedoch bekomme ich Angst, meine Batterien könnten zur Neige gehen. Dies passiert bei meiner neuen Lampe von einer Minute auf die nächste… Gern wäre ich noch weiter gegangen, aber die Vernunft mahnt mich zur Umkehr.
Ich gehe zurück und als ich aus dem engen Loch schlüpfe, fragen mich Touristen, ob ich mich verlaufen hätte. Hinter dem Fin de la visite – Schild hat es für mich erst richtig angefangen…
Die Sonne scheint wieder, aber es herrscht eine ziemliche Luftfeuchtigkeit. Es ist bereits nach 18.00 Uhr, als wir weiterfahren. Und wir brauchen mindestens noch Brot, besser noch weitere Lebensmittel für ein vernünftiges Abendbrot. In Saint Engrâce ist kein Laden zu finden, wieder geht es in fast menschenleerer Gegend bergan und den Wolken, wie den unbeleuchteten Straßentieren entgegen. Pferde und Kühe begrüßen uns diesmal nahe des Pas de Guilhers.
Der Nebel ist diesmal weniger dicht und Yvonne gibt alles am Steuer. 19.10 Uhr erreichen wir das malerische Bergdorf Arette.
Fleischer und Lebensmittellladen sind grad noch so geöffnet, die Bäckersfrau verkauft mir ihr letztes Brot des Tages. Am Platz neben der Kirche ist ein überdachter Picknickplatz. Tische und Bänke sind trocken – eigentlich ein Wink mit dem Zaunfahl… Yvonne fegt einmal durch, wir biwakieren hier, so können wir im Trockenen kochen und essen und müssen keine Angst haben, nochmals nass zu werden. Die Wolken ringsum laden noch immer nicht zum Zelten ein.
Es gibt gebratene Nudeln mit Zucchini, Aubergine, Zwiebel, Knoblauch, Chorizo und einer Rancio-Creme-Fraiche Soße. Dazu noch ein Spiegelei für jeden. Immer noch munden der Bag in Box Joven und auch der geniale Rancio. Das Leben kann so einfach und dabei so schön sein…
(Fortsetzungen folgen)