Am 29.04.2011 war ich zu Besuch bei der Vinicola, der großen Genossenschaft in Gratallops. Wobei Größe natürlich relativ ist, was im Kontext Spaniens eher klein ist, ist im engen Gebiet des Priorats schon ein großer Erzeuger.
Lange Jahre sind wir relativ lustlos an den Weinen der Kooperative vorübergegangen bzw. gab es kaum begeisternde Kritiken zu vermelden.
Aber bereits letztes Jahr zur Fira war mir eine „neue Dimension“ aufgefallen. Die junge und begeisternde Önologin Sandra Bravo stellte dort Weine vor, die durchaus neugierig auf einen Besuch machten.
Und als ich wie jedes jahr meinen Pflichtbesuch in der angeschlossenen Agrobotiga machte,um zu gucken,was es neues, mir bisher gänzlich unbekanntes gibt (Mussons aus Gratallops und Celler Lo aus Torroja waren die gänzlich neuen diesmal), da war ein Termin fix vereinbart.
Am Freitag morgen stehe ich also bereits um 09.00 Uhr in Gratallops, leider habe ich nur eine Stunde Zeit, denn dann wartet bereits der nächste Termin – um die Ecke sozusagen.
Ich werde von Jordi Miro, dem Verkaufs- und Marketingleiter empfangen, nach einem kurzen Rundgang landen wir schließlich im Verkostungsraum. Vier Korken knallen, nicht zu viel und nicht zu wenig für die verbleibenden etwa 40 Minuten.
Zunächst zwei Joven Weine, wobei der erste das klassische Priorat (nur Grenache und Carignan) verkörpert und der zweite die modernere Interpretation (zusätzlich noch Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah in der Cuvée.
Vinicola del Priorat; Ònix Classic; Priorat – Gratallops; 2009 rot
15° Alkohol
Der Joven im traditionellen Stil zeigt sich auch in der Probe klassisch, ein leuchtendes Rubinrot kündigt einen nicht zu exzessiven Wein an, in der Nase habe ich einen sehr fruchtigen Eindruck, Kirsche dominiert dabei, der Wein ist recht einfach, aber am Gaumen auch sehr zugänglich und offen, leicht zu trinken. er hat eine sehr typische glasklare, fast schneidende Mineralik und ist seinen Preis wert, wir reden hier von unter 10 € vor Ort. Das macht durchaus mehr Spaß als in früheren Jahren. 88/100 Th. Sehr guter Wein.
Vinicola del Priorat; Clos Gebrat Jove; Priorat – Gratallops; 2010 rot
14° Alkohol, seit Februar 2011 in der Flasche.
In der Farbe noch etwas heller und durchscheinender als der Ònix Classic. Noch etwas verschlossene Nase, etwas Kräuterwürze, öffnet sich nach einigen Minuten im Glas und wird runder.
Am Gaumen recht leicht, aber auch sehr zugänglich, sehr gradeaus, fruchtbetont und sehr frisch. Zeigt auch etwas mehr Eleganz als der Ònix Classic und hat eine etwas weniger beißende Mineralik. Sehr rund und sehr gut. 89/100 Th.
Früher hat man wie fast überall im Priorat mehr Wert auf die Crianza Weine gelegt, inzwischen beachtet man auch die Joven Weine mehr als in den Anfangsjahren seit 1995.
Der Clos Gebrat Jove trinkt sich mit seiner enormen Frische und fast schon Leichtigkeit eher wie ein Weißwein, er ist weniger auf Körperreichtum und Fülle ausgelegt und sollte, so wie er ist auch im Sommer einigen Spaß bieten. Der Ònix Classic dagegen ist etwas kräftiger, aber ohne etwas Überragendes. Der Alkohol ist gut versteckt, die 15° erzeugen kein Brennen im Mund
Vinicola del Priorat; Ònix Fusio; Priorat – Gratallops; 2009 rot
14° Alkohol
Sehr dunkel, schwarzviolett in der Farbe. Eine mittelmäßig geöffnete Nase, die anfangs noch verschlossener ist. Kräuterwürzige Garrigue-Noten verbinden sich mit süßer, sehr reifer dunkler Frucht, so dass dieser Wein blind spontan auch an den Jahrgang 2007 allgemein erinnert.
Auch am Gaumen eine süßliche, sehr ausgereifte Frucht. Ebenfalls sehr frisch mit einer gewissen Eleganz, aber zugleich ein Maul voll Wein, welches Spaß macht. Nicht überextrahiert, aber voll am Gaumen mit vorhandener, aber nicht zu starker Mineralik und samtenem Tannin. Die 4 Monate Barrique merkt man diesem Spaßwein nicht sonderlich an. Der Preis von etwa 12 € vor Ort ist durch die Qualität durchaus gerechtfertigt. Sehr guter Wein. 91+/100 Th.
Vinicola del Priorat; Clos Gebrat Crianza; Priorat – Gratallops; 2008 rot
14,5° Alkohol
Dunkle Farbe, aber etwas durchscheinender als der Fusio. Was für ein schönes kleines Nasentier? Wunderbar üppige, offene Nase nach Schwarzkirsche, Cassis, Garriguekräutern und etwas Holz.
Und der Gaumen hält durchaus, was die Nase verspricht, er ist ausdrucksstark und alles andere als dünn. Er macht sich am Gaumen breit und ist wunderbar zu trinken. Schön balanciert zwischen Frucht und Mineralik, ein Wein, der süffig im positiven Sinne ist. Macht viel Spaß – und es ist genau jener Wein, der mir bereits im letzten Jahr zur Fira positiv aufgefallen war. Ein sehr gutes Preis-Genuss-Verhältnis darf attestiert werden, dieser Wein ist durchaus eine Empfehlung. Ich schwanke etwas zwischen sehr gut am oberen Rand – 92+/100 Th oder gar exzellent – 93/100 Th.
Die nächste 2008er Blindprobe wird es wohl richten…
Wir diskutieren auch über den früher lange Zeit negativ besetzten Sinn des Begriffes „easy drinking“, dessen Bedeutung in der Wahrnehmung sich eher ins Positive verändert, denn was gibt es Schöneres, als zugängliche Weine, die viel Spaß machen. Für Gaumensensationen können sie ja dennoch sorgen, wie der Clos Gebrat Crianza beweist.
Durchaus positiv überrascht verlasse ich an diesem Morgen die Vinicola del Priorat und mache mich auf den Weg zu Bodegas Puig Priorat.
Bis später…