Die Touristeninfo in Saint Sorlin d´ Arves ist genau so wegen Mittagspause geschlossen wie die kleinen Lebensmittelläden, vor denen wir parken.
Also geht es ohne Topo noch einmal einige Kilometer zurück in Richtung des Col de la Croix de Fer, zumal uns das seit 12.00 Uhr geschlossene Office quasi die Tür vor der Nase zugemacht hatte und wir jetzt gehörig Zeit vertrödeln müßten, bis dort wieder geöffnet wird.
Etwa einen Kilometer oberhalb des Ortsausganges des lang gezogenen Dorfes ist linkerhand in einer Haarnadelkurve der Zugangsparkplatz für den Kletterfelsen und für den Klettersteig. Zu beidem sind es von hier aus nur etwa 5 Minuten Fußweg.
Viele Leute mit hauptsächlich kleinen Kindern sitzen am Kletterfelsen, aber niemand hat ein Topo zum Reinschauen, wir bekommen aber einige „leichtere“ Wege empfohlen. Die Leute haben so alles in allem etwa acht Seile hängen, lediglich an zwei Wegen klettert jemand, der Rest der Wege ist ärgerlicherweise einfach nur auch für uns blockiert – und in der Regel handelt es sich hier um die leichteren Wege, die auch wir sicher gern probiert hätten.
Aufgrund der Menge der Leute und Kinder ist es entsprechend laut und die nicht belegten Wege sind allesamt in der prallen Sonne.
Der Felsen aus Gneiss hat viele leichte und mittelschwere Routen im Vierer – Bereich und erlaubt aufgrund seiner Felshöhe von 60 bis 80 m auch mehrere interessante Zwei- bzw. Dreiseillängentouren. In der Regel sind die Routen gut abgesichert und in sofern auch für Nicht – Cracks gut vorsteigbar. Einige Routen ohne Bohrhaken erfordern die Mitnahme von Friends, auch Knotenschlingen schaden nicht, wie ich feststellen musste.
Denn mit genau so einem Weg begann ich aufgrund der für uns eingeschränkten Auswahl.
Auf 20 m Kletterhöhe konnte ich einmal einen Friend setzen, auch zwei oder drei Knotenschlingen, die ich leider unten gelassen hatte, hätten ein Mehr an Sicherheit gebracht.
Da aber der Weg sehr leicht ist (4a?) und der Gneiss sehr griffig, geht es auch so ganz gut bis zum Relais. Steffen verzichtet, also seile ich schnell wieder ab und schaue nach einem zweiten Weg.
Den nächsten Weg hatte mir der „Chef“ empfohlen, es sei eine Zwei – Seillängen Tour, unten „quatre“ (4), oben dann „quatre sup.“, was schlicht bedeutet: „Mehr als vier“…
Die untere Seillänge ist auch einer „quatre“ gut angemessen (4b oder 4c?) und es gibt etliche Borhhaken. Steffen kommt gut und ohne großes Jammern hinterher und hängt sich am Relais ein, so dass ich die zweite Seillänge vorsteigen kann.
Nach etwa 12 bis 15 m könnte man in einem Loch noch mal gut nach holen und auch hier ist ein Relais, soll das jetzt eíne kurze halbe Seillänge gewesen sein oder was auch immer – ich gehe gleich direkt weiter, zumal auch Steffen signalisiert hatte, dass er eigentlich nicht höher möchte.
Nun plötzlich hat es der Weg aber richtig in sich und hat mir „vier“ rein gar nichts mehr zu tun. Es geht auf Reibung und für einen längeren Abschnitt gibt es nur kleine Leisten und Fingerkuppenkanten und dazu sind dummerweise die Bohrhakenabstände hier eher sächsisch als französisch. Insofern ist das Stück im Vorstieg psychisch recht anspruchsvoll.
Unten sind inzwischen noch mehr neue Kinder eingefroffen bzw. halbwüchsige Teenies mit entsprechendem Lautstärkepegel. Steffen ist nicht immer zu 100% bei der Sache, was das Sichern angeht, denn er achtet auch unten auf unser Gepäck und auf kreischende pubertierende Mädchen und zugleich oben auf mich.
Mir geht es an der Schlüsselstelle gar nicht gut, denn ich krieg mich nicht so verbogen, dass ich die Exe in den weit links liegenden Bohrhaken klinken kann und die letzte Sicherung ist wenigstens sieben Meter tiefer. Nachdem es dann doch geklappt hat – Gott weiß wie… – brauche ich erst einmal eine Pause und vor allem moralische Unterstützung durch eine Standschlinge.
Als es danach noch immer nicht leichter wird, halte ich mich dann mal kurz in der Schlinge – ich weiß, das ist unsportlich, aber ich habe keine Lust, auszuprobieren, ob Steffen wirklich gut genug sichert…
Nach ca. 10 sehr schweren Metern wird es dann wieder wie gefühlt 4c bis 5a und ich bin happy, als das obere Relais erreicht ist.
Steffen winkt ab, ihm reicht der Kick bis dort hin, auch ich habe nach dem Weg, der schon fast grenzwertig war, dann erst mal genug von der prallen Sonne und dem lauten Treiben – Steffen schlägt vor, dann doch lieber noch den Klettersteig nebenan zu machen. Vorher aber mache ich wenigstens noch ein paar Fotos von der Wand (inklusive des Seiles in der unteren Seillänge des zweiten Weges).
Als Fazit der Kletterei wäre mal wieder zu bemerken, dass ein unbedachtes Einsteigen ohne Topo doch immer die suboptimale Variante ist – auch wenn es wie immer schön war…