Ein wenig später gäbe es einen Platz zum Biwakieren an der Kapelle Notre Dame des Grâces und nahe eines Klettersteiges, aber aus irgendwelchem Grund gefiel Steffen der Platz nicht und so fuhren wir weiter, nicht ahnend, dass es dann erst mal tote Hose mit Biwakplätzen sein wird. Die drei Klettersteige zwischen Bonneval und Lanslebourg Mont Cenis müssen warten, bis sich eine erneute Chance ergibt. Auch die als sehenswert auf der Karte verzeichneten Kirchen von Bessans, Lanslevillard und Termignon müssen für diesen Urlaub unbesichtigt bleiben, der berühmte Blauschimmelkäse von Termignon unverkostet…
In Lanslebourg sehen wir zwar einen Platz, aber derart auf dem Präsentierteller und mit herumschleichenden Gestalten. Hier, wo auch eine Straße nach Italien abgeht, wollen wir dann beide nicht ruhigen Gewissens bleiben.
Andererseits wissen wir inzwischen auch, dass die Tage des Urlaubs gezählt sind und wir nicht alles machen können, was sich angeboten hätte. Und so bleiben genug Gründe für einen erneuten Besuch dieser schönen Region.
Andererseits möchte ich keinesfalls Aussois aus dem Programm nehmen müssen, denn laut der französischen Klettersteigseite im Internet muss das so ziemlich das Paradies für uns sein… Umso hibbeliger werde ich, als wir uns diesem Ort nähern und noch immer kein Platz gefunden ist. Letztlich landen wir in Aussois, es droht, dunkel zu werden und wir haben immer noch keinen Platz – wenn Hunger böse macht, dann macht ein fehlender Schlafplatz an der Pforte zum Paradies zornig…
Wie von Geisterhand werden wir zum Fort Victor Emmanuelle gelenkt, nachdem wir bereits ein anderes Fort auf Biwakierfähigkeit untersucht hatten und enttäuscht wieder von dannen zogen. Am Fort Victor Emmanuelle beginnen oder enden die meisten der Klettersteige des „Wege des Teufels“ (Les Vias Ferratas de Diable), wir finden einen großen Parkplatz mit sehr gepflegter sauberer Toilette, mit Trinkwasser und einigen dort parkenden Camping Cars, aber ohne einen Platz zum Zelten. Mir ist inzwischen fast alles egal, ich will hier nur nicht wieder weg, ohne einen Teil der insgesamt 8 Klettersteige hier absolviert zu haben.
Weiter unten feiern einige Jugendliche, ich gehe zu Fuß hinunter – mich mal umschauen, obwohl Steffen sich schon wieder sehr skeptisch äußert. Dort unten, wo sich mehr als ein Dutzend Jugendlicher versammelt haben, ist eine Buvette und eigentlich auch ein sehr schöner Platz zum zelten. Ich frage die Jugendlichen und niemand hat etwas gegen unsere Anwesenheit hier. Ich bekomme den Weg fürs Auto erklärt und hole es, Steffen muss da jetzt durch, aber auch er sieht bald, dass er keine Angst haben muss und gegen den Lärm hat er ja Ohrenstöpsel. Alles wird gut.
Die übliche Arbeitsteilung, Steffen baut, ich koche.
Es gibt Trangia deluxe: Ich koche auf kleiner Flamme („Flammendosierer“ nutzen!) Crozets au Sarrazin und gare zugleich in dem Wasser die gekauften Würste Doigts de Savoie. Während ich die Würste dann in Scheiben schneide, gebe ich zu der Brühe mit den Crozets den Rest grünen Spargels und in Ermangelung weiteren frischen Gemüses die Büchse des Mazedonischen Mischgemüses. Diverse Kräuter und Gewürze dazu, die Wurstscheiben auch und fertig ist eine von Savoyen inspirierte Art sehr nahrhafte Frühlingssuppe.
Dazu gibt es keinen Alpen, sondern einen Zentralmassivwein.
Domaine Rougeyron; Châteaugay Vieilles vignes; Côtes d Auvergne Châteaugay; 2004 rot. Der Wein hat inzwischen noch mehr an Komplexität gewonnen und ist nach wie vor ein toller Charakterwein mit dem Ausdruck des Vulkanbodens. Eigenwillig und exzellent, wie immer. 94/100 Th.
Während Steffen dann schon schläft, unterhalte ich mich noch eine ganze Weile mit den jungen Franzosen und der quirligen Alexandra, die der Grund für diese Party ist, zu der auch ich nun eingeladen bin. Sie kommt aus Perm im Ural und wird am nächsten Tag abreisen. Die junge Frau hatte hier einige Wochen wie auch ein Teil der anderen Jugendlichen gearbeitet – sie restaurieren hier einen Teil der umfangreichen Fortanlagen, die anderen sind hier bei Anlagen des Tourismus beschäftigt. Die Buvette wird tagsüber von ihnen bewirtschaftet und auch ein Abenteuerwald inclusive einer Seilbahn wird kommerziell betrieben, während die Klettersteige wie fast immer Gratisangebote sind.
Die Nacht wird für mich etwas kürzer wie sonst, aber das war dann auch okay so…
Die Wege des Teufels werde ich dennoch mit wachen Sinnen machen. Freut euch mit mir auf einen erneuten absoluten Höhepunkt der Tour.