… wollen wir uns wagen…
Ich hatte mich seit 1995 dort nicht mehr hingetraut, weil man mich damals auf einer Radtour – allein durch die Alpen – auf das Schäbigste derart beklaut hatte, dass ich weder einen Pfennig Geld noch meine Papiere noch die Bahnrückfahrkarte von der Schweiz aus nach Hause hatte. Das Abenteuer der Rückreise nach diesem niederschmetternden Erlebnis ist ein anderes Thema. Fakt war, dass ich seither einen Riesenbogen um Italien gemacht hatte.
Nun aber sind wir zu zweit und es ist doch eine gute Abkürzung für uns.
Zunächst halten wir aber im Süden von Briancon an einem großen Carrefour – Markt, um Lebensmittel für den Abend zu kaufen. Auch etwas nachtanken sollten wir, um nicht in Italien tanken zu müssen. Zum Einen muß man nichts provozieren, zum anderen sind jede Menge Italiener hier in der Warteschlange und wenn die alle trotz 1,71 € / l. volltanken, dann muss das einen Grund haben, der in noch teureren Spritpreisen in der Gegend Italiens zu suchen sein dürfte.
Wir tanken nicht wirklich voll, sondern nur einige „Not-Liter“, um sicher wieder nach Frankreich rein zu kommen. Aber alle anderen hier tanken, als würde es so schnell nichts wieder geben. Entsprechend lange dauert es, bis wir weiter fahren dürfen.
Über den Col du Montgenevre verlassen wir Frankreich für kurze Zeit und befinden uns nun auf fremdartigem Gebiet, wo wir uns nicht mehr verständlich machen könnten und auch die Ausschilderungen sind erst mal etwas gewöhnungsbedürftig. Aber in Jörg habe ich einen guten Beifahrer, der mich sicher durch unbekanntes Land leitet.
Ohnehin müssen wir uns bis Susa eh nur abrollen lassen, das kostet wenig Sprit und wenig Kraft – wir können die auch in Italien herrliche Alpenlandschaft genießen und staunen aber dennoch, wie tief wir hier dann schon runter kommen.
Tatsächlich ist das Tanken hier in Italien fast noch mal 20 Cent teurer als im schon als verdammt teuer empfundenen Briancon, hier will man fast 2 € für den Liter Super.
Beeindruckend ist auch das Vorbeifahren an der Festung von Exilles, halten wollen wir aber nicht, denn unser Weg ist noch weit und wir wollen gern im Hellen am Ziel ankommen. Auch sehen die Dörfer hier auf italienischer Seite recht ärmlich und heruntergekommen aus, nur Susa macht dann wieder einen vernünftigeren Eindruck und hätte vielleicht sogar einen Stop gelohnt. Hier gibt es sogar Reben und ich muss dann auch an meine Mitadministratorin gleichen Namens beim Weinforum denken…
Von Susa aus geht es dann knapp 20 Kilometer richtig stramm bergan und schon passieren wir in einer wenig einladenden Gegend mit vielen Kasernenruinen und Grenzbefestigungen erneut die Grenze und wenig später am wunderschön gelegenen See Lac du Mont Cenis fühlen wir uns dann schon wieder ein wenig mehr zu Hause.
Wir halten kurz an und schauen uns eine moderne Kapelle am See an. Hier gäbe es auch einige Möglichkeiten zum Biwakieren, aber wir sind noch nicht am Ziel unserer Etappe und außerdem drücken die Wolken über den Pass und irgendwie wirkt es alles hier oben durch den sich ankündigenden Wetterumschwung doch nicht so einladend zum Übernachten wie auf den Pässen einige Tage zuvor. Es hat sich hier oben sogar merklich abgekühlt, erstmals empfinden wir etwas anderes als die stetige Hitze. Wir sind auch nahezu in den Wolken und diese neblige Stimmung hier oben hat etwas Unwirtliches, wenig Einladendes. Auch die Sicht ist damit leider nicht so besonders wie gewohnt.
Über den Col du Mont Cenis erreichen wir dann nach etlichen Kurven und steiler Abfahrt die Strecke, die ich bereits vom letzten Jahr her kenne und den Ort Lanslebourg Mont Cenis. Nun sind wir auf mir bekannter Strecke – auf nach Aussois!