Den mehrere Meter hohen, überhängenden Fels am Umkehrpunkt der Via Souterrata habe ich hinter mir gelassen, die Hälfte der Gesamtstrecke der Via Ferrata Colline St. Jacques von Cavaillon ist damit geschafft. Nun sitze ich in der Grotte, habe etwas getrunken, mich ausgeruht und mir wird klar, dass ich den Rucksack jetzt gar nicht aufzusetzen brauche. Die nächsten Meter muss ich ihn vor mir her schubsen… Ich sehe mich vor einem Höhlensystem – es geht jetzt kriechend und robbend weiter, zum Glück hab ich Erfahrungen mit Höhlen. Das Klettersteigsicherungsseil ist ja nicht wirklich vonnöten, aber es weist den rechten Weg. Wichtiger ist jetzt schon der Helm auf dem Kopf… Es wird eng. Sehr eng. Richtig eng… fast so eng wie im Weg des Schreckens in der Böhmischen Schweiz – aber hier muss man nicht hoch oder runter, nur längsseits mit den Armen vorneweg, nicht nur, um den Rucksack schubsen zu können, auch, um selbst überall durch zu passen.
Wer Angst vor Claus hat, für den gibt es einen Alternativweg außen am Fels lang, die Höhle mit den mehrfachen Kriechstellen ist allerdings spannender. Eine Stirnlampe ist recht sinnvoll, ich habe meine natürlich eingesteckt, weil ich ja gut vorbereitet war.
Dann mal rein ins Loch, zunächst reicht noch der gut gebückte Gang auf allen Vieren… und dann kann man sich fast noch mal aufrichten.
Mal rein-blitzen…
Das Sicherungsseil weist den richtigen Weg, denn es gibt auch ein paar Abzweige.
Zwischendrin kommen wir in eine zweite große Grotte mit Blick nach draußen. Hier gäbe es auch einen weiteren Angsthasenausstieg für die, die merken, dass das Gekrauche doch nichts für sie ist… Man könnte also auf den am Fels querenden Weg wechseln.
Oder weiter durch die enge Röhre? Natürlich…
Am Ende erneut eine Grotte. Und der Blick geht nach unten zu einer der Seilbrücken des Hinweges…
Natürlich dürfen auch die Naturlehrpfadtafeln nicht fehlen… Jetzt darf auch der Rucksack endlich wieder aufgesetzt werden. Gleich noch mal vorher einen Schluck trinken…
Ein letzter Blick in den geschafften Kriechgang:
Ich habe dann oben an der Felskante zu queren, insgesamt ist es hier aber zumeist leichter als die Querungen unten. Dafür ist es ausgesetzter.
Hier kann ich zwei Kletterer auf dem Hinweg beobachten, ihr erinnert euch an die Wand mit dem Bäumchen. Bei dem rechten am Bildrand Gehenden erkennt man die bevorzugte Haltung in der leicht überhängigen Wand.
Der junge Mann steht auf der Seilbrücke am Umklinkpunkt und der Infotafel… Bildung extrem.
Hier meine U-Eisen und man kann noch mal in die erste Grotte fast reingucken…
Ich muss jetzt nur noch ein Stück absteigen und dann ist die Via Souterrata geschafft.
Der letzte Abschnitt, der untere der Via Natura ist dann deutlich leichter, eigentlich ist er kaum noch der Rede wert. Zum Schluß hat man noch mal ein paar vertikale Meter, aber ohne Anstrengung. Dann ist es geschafft und nein, vier Stunden, wie angegeben, war ich wohl bei weitem nicht unterwegs für den kompletten Steig.
Durch die Länge des Steiges und seine sportlich ambitionierte Gesamtanlage gebe ich 19,5/20. Der Adrenalinausstoß war schon ähnlich wie in Florac, nur kam es hier nicht von der Höhe sondern der sportlichen Aktion und der Anlage des Weges. Und hier war es eben auch der komplette Steig, ohne, dass man vorab unfreiwillig nach Hause geschickt worden wäre wie in Florac. Die Arme werden hier gut gefordert und für den Nervenkitzel ist auch gesorgt, dazu kommt die intelligente und super optimierte Anlage des Steiges, die das Maximum aus den Gegebenheiten rausholt und die landschaftlich schöne Lage über den Dächern der alten provencalischen Stadt. Ein Steig für alle Sinne, dazu noch was für die Bildung – alles in allem lohnt dieser Steig auch einen weiteren Umweg bzw. fast schon sogar die Reise.
Die Schwierigkeitseinschätzung D (difficile = schwierig) für die Via Natura ist etwas zu hoch gegriffen, wenn, dann sind die Abschnitte, die D rechtfertigen, nur kurz und überwiegend wäre AD (assez difficile = mäßig schwierig) ausreichend. Sagen wir AD mit kurzen Elementen von D.
Das TD (Tres difficile = sehr schwierig) für die Via Souterrata ist da gerechtfertigter, denn die schweren Abschnitte sind häufig und die Ausruhstücken wenige, aber es gibt auch immer mal welche. Für Anfänger und Ungeübte oder weniger sportlich Ambitionierte ist das schnell eine Grenzerfahrung. Fortgeschrittene Klettersteiggeher werden das eher lieben und wie ich dann ins Schwärmen geraten.