Im Oktober habe ich insgesamt acht Rotweine aus dem schwierigen Jahrgang 2003 offen verkostet – jeweils über 4 Tage, am ersten Tag beginnend mit den ersten beiden, am Folgetag Wein 1 und 2 die Probe für den 2. Tag und Wein 3 und 4 dazu neu aufgemacht und so weiter…
Wenn wir dabei bedenken, dass es sich um Weine im Endpreis zwischen ca. 15 und 40 € drehte, dann war die Probe schon eine Enttäuschung – bzw. legt sie die Problematik des Jahrgangs frei.
Zum Einen erscheinen die Weine deutlich fortgeschrittener als die meisten der Mittelklasseweine aus 2000 oder 2001, die unlängst in die Gläser kamen, die Weine waren weitgehend reif und auf ihrem Höhepunkt – zum anderen könnte man als Motto „gepflegte Langeweile“ wählen. Sicher, es waren alles sehr gute bzw. exzellente Weine, läßt man den Preis weg, kam auch hier und da etwas Spaß auf, aber Größe habe ich in allen verkosteten Weinen vergeblich gesucht, ebenso aufregende aromatische Ereignisse oder sich im Gedächtnis festhaltende Erlebnisse. Würde es um heutige Kaufentscheidungen gehen, wäre ein Kaufreflex lediglich bei einem Wein zustande gekommen – und ausgerechnet diesen (Coma d´ en Romeu) wird man kaum noch am Markt auftreiben. Glücklich also, wer da noch Reserven von hat.
Ansonsten gibt es so viele Weine aus den nachfolgenden Jahren mit mehr Charakter, mehr Erlebnis und besserem Preis-Genuss-Verhältnis, als dass ich hier noch groß zur Marktforschung raten könnte. Es sei denn, der eine oder andere Wein kommt einem preislich sehr weit entgegen – wie weit das sein muss, entscheidet jeder für sich selbst.
Wer diese Sachen bereits im Keller hat, sollte keine Jahrzehnte mehr warten, besser sollte hier kaum noch etwas werden, die Frage ist eher, wie lange sich die Weine im Einzelnen noch so halten.
Insgesamt bestätigt sich mein Vorgefühl, dass 2003 das Jahr mit der Schlußlaterne der dekade sein könnte, doch erheblich. Da hatte ich mit einigen 2002ern sogar deutlich mehr Spaß und würde auch hier eher selektiv noch die Augen offen halten als bei 2003 – zumindest außerhalb der absoluten Spitzen des Jahrgangs.
Die Ergebnisse und Verkostungsnotizen im Einzelnen:
Cesca Vicent; Lo Piot; Priorat – Gratallops, 2003 rot
Tag 1: Recht verhaltene, noble Nase, am Gaumen recht kühl und eher finessebetont, baut mit Luft noch weiter aus. Hinterlässt im Abgang einen leicht trockenen tanninbetonten Nachhall, lang und sanft.
Schöne Mineralik, Fruchtjoghurt und Schiefer, kühl und durchaus edel wirkend. Legt auf jeden Fall Noblesse und Charme vor.
93+/100 Th. Exzellent.
Tag 2: Offene, noble und komplexe Nase, vielschichtig und animierend, am Gaumen mit Finesse und verführerischem Reiz. Schöne Mineralik, mit Biss und kühle, wunderbar zu trinken. 94/100 Th. Exzellenter Wein.
Tag 3. Heute dominiert die Mineralik und die Säure etwas, dennoch immer noch ein exzellenter Wein. 93/100 Th.
Tag 4: Lässt sich auch nach vier Tagen noch wunderbar trinken. Frisch, finessenreich, durchaus mit etwas Tiefe und schöner Mineralik. Kein Abstrich gegenüber dem Vortag. 93/100 Th.
93+; 94; 93, 93 = 93,25+/100 = 93/100 Th. Exzellenter Wein.
Mas Garrian; Clos Severí; Priorat – El Molar; 2003 rot
Tag 1: Anfangs offene Nase, die sich allerdings im Laufe des Abends verschließt. Zeigt sich am Ende wie ein Nebelschwaden auf heißem Asphalt nach einem Sommergewitter. Am Gaumen durchaus Kraft, aber nicht den Charme des 2002ers und nicht die tiefe des 2004ers. Wirkt wie mit blockierter Handbremse durchgestartet. Besser als erwartet, aber eine Richtungsentscheidung ist noch nicht gefallen. 92+/100 Th. Sehr gut bis exzellent.
Tag 2: Noble, leicht offene Nase, vielschichtige und subtile Aromen. Am Gaumen mit Druck, dunkle Frucht, Tapenade, Brombeerlikör, leicht trockenes Tannin, ausgewogen und relativ kraftbetont. 92+/100 Th.
Tag 3: Am Gaumen immer noch ein schlammiger Teich nach dem Bad eines kleinen Elefantenbabys. Unverändert zu den Vortagen, heute mit einer schönen würzigen Note im Abgang. 92+/100 Th.
Am 4. Tag wirkt er leicht oxydiert und kann somit nicht mehr gerecht bewertet werden.
92+; 92+; 92+; o:W. = 92+++/100 Th. = 92/100 Th. Sehr guter Wein.
Cims de Porrera; Solanes; Priorat – Porrera; 2003 rot
Tag 1: Etwas reservierte, nur leicht offene Nase. Aber auch von nobler Herkunft. Am Gaumen priorattypisch, schöne Mineralik, durchaus kühl wirkend, mittlerer Körper, aber insgesamt eher etwas einfacher gestrickt und ohne Tiefe. Harmonisch und ausgewogen, reif, aber auch recht glatt, ja fast ein wenig gelangweilt und einfallslos. Sehr gut gemacht, aber eben mit Schulterzucken.
89/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 2: Etwas fester und komplexer als am ersten Tag. Knüpft aber von der Sache her an den Eindruck des ersten Tages an. 90/100 Th. Sehr gut.
Tag 3: In der Nase verschlossener, am Gaumen kühl und klar strukturiert, einfach und nach wie vor ohne große Tiefe.
89/100 Th. Sehr guter Wein.
Tag 4: Unverändert zum Vortag, aber in der Nase wieder etwas offener. Hat sich auf seinem Niveau schön über die vier Tage gehalten. 90/100 Th.
89; 90; 89; 90 = 89,5 = 90/100 Th. Sehr guter Wein.
Celler Ardèvol I Associats; Coma d´ en Romeu; Priorat – Porrera; 2003 rot
Tag 1: Offene, animierende und komplexe Nase, reif und auf dem Punkt. Am Gaumen kühl, komplex und auch mit gewisser Tiefe. Bestätigt frühere Eindrücke. 94/100 Th. Exzellent.
Tag 2: Eine nicht mehr ganz so üppige Nase, aber ansonsten wie am ersten Tag. Bislang noch immer der spannendste Wein der Tour. Schön würzig, kühl und auch nobel. 93/100 Th. Exzellent.
Tag 3: Verblüfft heute aufs Neue, zeigt sich individuell und von den anderen Weinen der Probe abgehoben.Würze, Tiefe und von allem etwas mehr als bei den anderen Weinen dieser Probe. Ein Schnüffelstoff, der auch am Gaumen überzeugt. 94/100 Th. Exzellent.
Tag 4: Unverändert exzellente 94/100 Th.
94; 93; 94; 94 = 93,75/100 Th. = 94/100 Th. Exzellenter Wein.
wird fortgesetzt…