Von Herzen gut geweint… – so ist das nicht gemeint.
Natürlich denkt jeder, der Priorat-Hammer werde Herzens-Prioratos vermarkten – nein, da tut er heute hier nicht, denn das mache ich schließlich jeden Tag. Wie sollte ich auch Prioratweine verkaufen, wenn nicht von Herzen ausgewählt…
Wie aber kommen Weine ans Herz?
Nun, bei mir muss es die Gesamtheit des Erlebnisses sein, das passen muss, nicht einfach mal so irgendwo „100 Punkte“ gekauft und irgendwie oder auch nicht am eigenen Gaumen bestätigt haben. Das ist dann zwar gutes Handwerk, bei 100 und knapp drunter meinetwegen auch schon Weinkunst, aber nichts, was mit dem Herzen zu tun hätte.
Das Herz ist der einzige Ort, der Sehnsucht gebären kann… Sehnsucht als untrügliches Zeichen für den Herzenswunsch nach Wiederkehr…
Ich als ewig Reisender entwickle zunächst Sehnsucht nach einer Gegend, dann aber auch nach einem Menschen, der dort zu treffen ist, bei einem Weinliebhaber darf das natürlich gern ein Winzer sein… Und wenn schon zu einem Winzer zurück gekehrt, dann natürlich auch Sehnsucht nach einem ganz bestimmten Wein von ihm. Auch wenn letzteres wegen der endlichen Verfügbarkeit mitunter das Schwierigste ist. Aber wozu gibt es Nachfolgejahrgänge?
Aber all das braucht oft auch den Funken als ausschlaggebende Initialzündung…
1990 im ersten Sommer nach dem Mauerfall… Ich hatte aus Trotz gekündigt, weil ich sonst mit einem Lehrer, der nur in den Ferien kann, nicht hätte reisen dürfen – aber ich wußte auch, dass es diesen sozialistischen Betrieb mit seiner Planwirtschaft ins wirtschaftliche Aus eh nicht mehr lange geben wird. Warum nicht gehen, eh man rausgeschmissen wird oder der Betrieb in Schutt und Asche fällt… – zugegeben, das mag egoistische Denkweise sein, aber es hat mir meine erste Frankreich – Radtour beschert und die hat meinem Leben eine neue Wendung gegeben… Ich war zarte 27 Jahre jung und so glücklich, nach Frankreich fahren zu können, mit 18 hatte ich noch depressive Verstimmungen wegen dieses unmöglich scheinenden Herzenswunsches und ich betete, das falls es jenen Gott gäbe, er mich schnell zu einem 65jährigen mache, damit ich endlich nach Frankreich komme. Nun bin ich immer noch keine 65, aber zusammengerechnet hab ich sicher schon mehr als 3 Jahre in Frankreich zugebracht.
1990 also im Sommer trug es sich zu. Geld hatten wir nur weniges damals, also nichts mit täglich Essen gehen und Wein. Aber mal so zum Sonntag oder zum 1111.sten Kilometer… Am ersten Wochenende der Tour waren wir im malerischen Dessoubre – Tal im Jura unterwegs und wir beschlossen, heute darf eingekehrt werden und es darf auch einen „echten“ französischen Wein zum Essen geben. Wir waren im Jura, also gab es natürlich einen Wein aus dem Jura.
Hätte man eine Sehnuchtsgeburt nach französischem Wein besser und charakterköpfiger hinbekommen??? Nein, wohl eher nicht…
Es war ein typischer „Tradition“ (Savagnin und Chardonnay, wie wir heute wissen), ein Charakterkopf, der nicht mehr aus dem Kopf geht. Nun, wir schwenkten danach hoch in Richtung Besancon und weiter ins Burgund, kamen also nicht direkt ins Weinbaugebiet des Jura. Aber es ließ nicht mehr los…
Wenige Jahre später lernte ich das Weinbaugebiet des Jura kennen und lieben, schnell. direkt und unvermittelt bei Besuchen diverser Winzer dort. Und nach der grandiosen Landschaft des Jura „verliebte“ ich mich auch in den einen oder anderen Winzer und natürlich auch dessen Weine. Einer der Ersten meiner Jura-Herzenswinzer war Lucien Aviet aus Montigny-les-Arsures. Dieser wunderbare Charakterkopf von Winzer, dieser museal anmutende Keller, dieser wunderbare Trousseau, die Cuvée der Geologen… Einer ersten auf dem Fahrrad durch halb Frankreich geschleppten Flasche folgten immer wieder welche von späteren Besuchen. Und immer war es dort, als sei die Zeit stehen geblieben…
Mit den Jahren kamen weitere Herzenswinzer dazu, aus selbigem Dorfe die Tissot-Familie, Baud Pere & Fils aus Le Vernois, Jean Macle und Berthet – Bondet aus Chateau Chalon…
1997 im November und erneut auf dem Rad kam ich erstmals nach Arlay. Vom Chateau d´Arlay, seinen Besitzern und dessen Weinen war ich sofort verzaubert worden, eine märchenhafte Welt, ein herzensguter Magier und seine Fee und traumhaft, in die Welt der Vin Jaunes und Vin de Pailles von Arlay einzutauchen. Vergessen der trübe Novembernachmittag, der eine Wetteränderung – nicht zum Guten – ankündigte. Der Comte de Laguiche und seine Frau nahmen sich unheimlich viel Zeit für einen Radfahrer, bei dem klar war, dass er kaum was kaufen kann, weil er es nicht weg bekommt. Aber sie erkannten in mir den damals schon vom Jura Besessenen… und sie wußten, was sie tun. Von den zwei Vin Jaunes aus 1989 ist eine inzwischen getrunken und die andere wartet genau wie das Fläschchen 1993er Vin de Paille noch auf den Tag… Und seither ist einiges von späteren Besuchen hinzu gekommen… Herzensweine von Herzenswinzern aus einem meiner Herzensweinbaugebiete…
Sommer 2016 – und nein, ich hatte nicht diese Weinrallye im Hinterkopf. Aber ich hatte beschlossen, auf dem Weg zu meinen Klettersteigen mal wieder die N83 an Arbois und Lons Le Saunier vorbei zu nehmen. Obligatorisch war der Stopp zum Käsekauf an der N83 bei dem Bio-Käseerzeuger Fromagerie bio du Val de Loue, bei dem ich auch schöne Weine hätte einkaufen können, aber in dem Moment wurde die Sehnsucht nach einigen meiner Herzenswinzer aus dem Jura größer als die Sehnsucht nach den Klettersteigen… Ich bog ab und besuchte zunächst Lucien Aviet und dann später das Château d´Arlay… Ich konnte nicht anderes – und wieder einmal musste die Cuvee des Geologes mit und natürlich auch Vin Jaune und Vin de Paille.
Und diesmal vielleicht nicht nur für mich. Falls denn jemand erfahren möchte, wie meine Herzensweine aus dem Jura schmecken.
Zum ausführlichen Verkosten war bislang noch keine Zeit, dazu bin ich noch nicht lange genug wieder zurück. Aber erzählen wollte ich euch die Geschichte schon mal, die dahinter steht… passt sie doch so prima in diese Weinrallye, die diesmal von Nico Medenbach von Drunken Monday ausgerichtet wurde.
Was die #Weinrallye ist, wissen meine treuen Leser ja mittlerweile und dass wir in die 2. Hundert gehen sei noch mal benannt, es ist das 101. dieses Herzens-Blog-Events. Danke für dieses schöne Thema.
Notizen zu den jetzt mitgebrachten Herzensweinen von Lucien Aviet und dem Château d´Arlay werden in Bälde auf meinem Blog noch folgen.
Stefan von Baccantus regte an, die Komplettverlinkungen hier auch noch mal drunter zu stellen, was bei den vielen lesenswerten Beiträgen eine gute Idee ist – ich hab es also gern aufgegriffen und übernehme mit Copy & Paste seine Zusammenfassung… – danke Stefan.
Was ist die WeinRallye?
Was die Weinrallye als monatliches WeinEvent im Internet genau ist, steht hier:
http://winzerblog.de/weinrallye/ – Jeder kann teilnehmen, auch als Gastschreiber.
Hier die Beiträge sämtlicher WeinRallye-Fahrer mit ihren Herzensweinen:
- Claudia Stern in Dear Wine: „Mein schönster Abschiedswein“ mit und einer Abschiedsträne bzw. Korken und einem Herzenswein von Katharina Wechsler: 2012 Benn Riesling trocken.
- Peter Züllig in Sammlerfreak mit einem Leutschner vom Zürisee: „Man sieht nur mit dem Herzen gut….“
- Margit Kunzke in Kochbuch für Max und Moritz: Weinrallye #101: Herzensweine – Vom Wochenbett zur Weinprobe mit einem Grunbacher Wartbühl Riesling „Weinbeisser“ Kabinett trocken (in der Remstalkellerei hier auch 35 Jahre später noch zu haben, soar 1 l drin )
- Stefan Schwytz, der Weinanwalt mit den Herzensweinen von Baccantus „Coup de Coeur“
http://baccantus.de/2016/08/30/coup-de-coeur-herzensweine/ nicht nur Languedoc, aber schon auch… - Susanne Werth-Rosarius bei Hundertachtziggrad° im Kampf mit den Außentemperaturen und Château Figeac… „You’re my heart, you’re my soul …“ oder wie sagte der Marquis de Ségur? „Je fais du vin à Lafite et à Latour, mais mon cœur est à Calon“.
- Susanne Werth-Rosarius als Gute-Besserung-Vertretung für unser aller Weinherzchen Cordula Eich vom Super Schoppen Shopper meldet sich mit einem Rosé aus Aix-en-Provence aus der Sommerpause zurück.
- Torsten Hammer – Der Priorat Hammer, mit dem ich die Liebe zu Savagnin und den Weinen aus dem frz. Jura verbinde: Von Herzen gut geweint… – so ist das nicht gemeint. Oder: wie kommen Weine ans Herz?
- Juliane Gassert in Einfach Wein: Wurzeln und Herzenssache und der Achse Heidelberg – Stellenbosch.
- Martin Riedl in Flüssige Freundlichkeiten: Weinrallye #101 – Herzensweine – Die Quadratur Des Ovals – Ihm haben es die Sauvignon Blancs aus dem Ländle von Schnaittmann und Aldinger aus der Region Stuttgart angetan. Der Beton-Ei-Sauvignon von Aldinger im Besonderen.
- Laura Neger in Culinarium Bavaricum Blog: Mein Weingelübde
- Dorothee Beil in Bushcooks Kitchen mit einer Wein-Geschichte aus Tanzania.
- Martin Riedl in Flüssige Freundlichkeiten: Weinrallye #101 – Herzensweine – Die Quadratur Des Ovals – Ihm haben es die Sauvignon Blancs aus dem Ländle von Schnaittmann und Aldinger aus der Region Stuttgart angetan. Der Sauvignon von Aldinger aus dem Beton-Ei im Besonderen.
- Hans Joachim Klose in Werk2: LiquidSun- mit seiner ersten Trockenbeerenauslese, dem Verlust des Oberlippenbartes, der Geburt des Sohnes und einem Rückblick auf einen besonderen Jahrgang: 2005.
- Dorit Schmitt in Aromenspiele: Ein lauer Sommerabend. Wir waren verliebt. – mit Weinentdeckungen von Tavel, Lirac und Châteauneuf-du-Pape bis zum Corton-Charlemagne.
- Der Schnutentunker Felix Bodmann ist Unterwegs zu den Herzensweinen und landet beim Weingut Rings…
- Peter Ladinig in Genuss und mehr: Good, Better, Burgunder! Von Velich über Fred Loimer bis Chassagne Montrachet.
- Nico Medenbach von Drunkenmonday mit einem Herzenswein: Hagel und Frost. Andreas Tscheppe und die grüne Libelle. Tscheppe hat es ordentlich erwischt, seine Weine gehören seit Jahren auch zu meinen absoluten Lieblingsweißweinen aus der Südsteiermark.
- Anja Kircher in Wein und Geschichte(n): Hasenweine aus Lothringen – Gris de Toul vom Weingut Lelièvre
- Thorsten Mücke in Weintasting: „Er ist herrlich unmodern“ mit einem Wein von »Le Jean-Marc« vom Château Maugey 2000.
- Peter Züllig in Sammlerfreak mit einem Leutschner vom Zürisee: „Man sieht nur mit dem Herzen gut….“