Siurana – die Ruinen der arabischen Burg
Juliane liefert mir eine Steilvorlage – und nein, das war weder abgesprochen, noch will ich ihre Idee kopieren. Denn anders als als ihre Reise fortzusetzen, käme ich nicht so wirklich ins Weinrallye – Thema…
Sie komplettiert quasi den Weg durch ihre Klösterreise von Deutschland ins Burgund. Und ich muß zwangsläufig im Burgund beginnen…
Juliane hat uns ja bereits verraten, dass es in Burgund besonders viele mittelalterliche Klöster gab, die auch zum guten Teil mit Wein zu tun hatten.
So es sie heute noch gibt, haben sie es auch heute noch mit Wein, Bier und Käse zu tun… Und es sind nicht nur die Zisterzienser, jeder katholische Orden im Mittelalter hatte so seine besondere Bestimmung. Natürlich sind uns Wein- und Genussfreunden die „Genuss“-Klöster wie Cîteaux (wo noch heute ein sehr guter und berühmter Käse hergestellt wird) lieber wie die „Hunde Gottes“, deren vordringliche Aufgabe es eine Zeitlang war, die Katharer auszurotten und dessen berühmtester Vertreter Bernard Gui das mittelalterliche Folterhandbuch verfasst hat…
Klar hat die Kirche damals mächtige Bauwerke geschaffen, pompöse Status-, Macht- und auch Glaubenssymbole, zwischen genialer Schlichtheit und Weite und glorreichem Pomp. Vieles davon verstehen wir heute als Kulturerbe. Gleichwohl ging in der damaligen Zeit mit dem Pomp auch der Tod und die Zerstörung einher.
Die Zerstörung der Katharerburgen und die Ausrottung der Katharer könnten wir heute auch als Zerstörung von Weltkulturerbe ansehen, genau wie heute der Islamische Staat Kulturerbe zerstört – nur damals gab es diesen Begriff schlichtweg noch nicht… Die Kathedrale von Narbonne sollte ein besonders großes Zeugnis von dem „Sieg“ des Katholizismus über die Katharer ablegen, bis heute ist das überdimensionierte Bauwerk nicht fertig geworden… – auch weil andere Eroberungen nötiger waren als das Festsetzen im Süden Frankreichs…
Jenseits der Pyrenäen beherrschten „Ungläubige“ das Land, welches zurück in den Schoß der Katholiken sollte – die Araber hatten weite Teile der Iberischen Halbinsel in ihrer Gewalt. Der Araber dachte nicht an Wein im heutigen Priorat. Er hatte seine Festungsbollwerke in La Morera de Montsant und auf dem steilem Felsen namens Siurana.
Die katholischen Gotteskrieger zerstörten die Araberfestungen (von La Morera ist fast nichts geblieben, in Siurana finden sich dagegen noch imposante Mauerreste der Araberburg.), im Gefolge aber kamen andere Monche – aus Burgund…
Diese bauten pompöse Klöster als Zeichen Ihrer Macht, aber sie waren auch „Genussmönche“ und sie hatten Reben im Gepäck..
Das heutige „Vorzeige“-Kloster Poblet unterhalb des Priorats betrieb sofort Weinbau und nutzte die aus Burgund mitgebrachten Reben für die klösterliche Weinerzeugung. Beide Burgunderreben haben sich dort über die Jahrhunderte bis heute erhalten. Aus dem Chardonnay macht Torres heute seinen berühmten Milmanda, die Reben dazu wachsen in unmittelbarer Nähe des Klosters Poblet, genau wie die Pinot – Noir – Reben, die die Weine von Abadia de Poblet ergeben. Dieser für Spanien ungewöhnliche Wein gefiel mir lange Jahre recht gut, typischer der Rebsorte Pinot Noir als dem Geschmack Spaniens verpflichtet – aber heute begegnet uns hier leider auch dieses Phänomen, welches Juliane beim Besuch vom Kloster Eberbach sauer aufstößt…: Kommerzielle Ausbeutung eines Weltkulturerbes.
Der Wein ist in eine Ecke gepfercht, man muss ein Ticket erwerben, wenn man ihn verkosten möchte, genau wie wenn man an einer Führung durch das Kloster teilhaben möchte, die Ticketverkäuferin, gleichzeitig „Einschenkerin“ kann nicht viel zum Wein an sich sagen, ist aber froh über jeden, der eine Souvenierflasche erwirbt. Das hat nichts mehr mit den Zeiten zu tun, als noch der Winzer himself seine Tropfen dort fachmännisch vorstellte…
Machen wir es also den Burgundermönchen gleich, die hinter Poblet in das unwirtliche Gebirge vorstießen, in der die Kriegermönche schon jene bereits genannten Araberfestungen geschleift hatten – auch hier gilt es, das Volk wieder zu „christianisieren“.
Kloster Scala Dei – Die Mönche sind weg, der Wein ist geblieben…
Die Mönche finden in dieser kargen unwirtlichen Gegend Reben und „alte Olivenbäume“, sie sind von beidem begeistert und nutzen diese Ressourchen, statt überall Burgunderreben die Böden okkupieren zu lassen. Sie gründen das Kloster Scala Dei und nennen das ihnen zugeteilte Land der Einfachheit halber das Priorat…
Diese Mönche sind Arbeitsmönche, keine Gotteskrieger, schnell wird diese Gegend berühmt und kommt zu Wohlstand – die dort erzeugten Weine sind lange Zeit begehrt – und sie sind es heute wieder…
Zwischendrin begehren die abhängigen Bauern auf, voran natürlich die aus dem (bis heute immer gern aufmüpfigen) Dorf Porrera, auch diese Bauern kannten das Wort Kulturerbe noch nicht, sie schliffen das ihnen verhaßte Kloster mit den feisten satten Genuß-Mönchen, die sie als Ausbeuter begriffen. Seither ist das Kloster Scala Dei Ruine, wenngleich bis heute eindrucksvoll auch als diese.
Dann kam die Reblaus ins Land und zerstörte, was sie konnte, nur einige abgelegene Parzellen fanden sie nicht, auf diese ist man heute besonders stolz.
Nach erneutem Aufbau – aus dieser Zeit stammen Gaudí´s Weinkathdralen – kam der Bürgerkrieg und im Gefolge Franco, der an allem anderen interessiert war als am Prestige dieser Weingegend. Aufmüpfig war wieder einmal Porrera – der von dort stammende Sänger Lluis Llach wurde zu einer der Symbolfiguren im Kampf gegen die Franco-Diktatur.
Noch einmal brauchte es eine Art neuer „Mönche“ – Leute, die das Potential dieser Gegend wieder entdeckten, die fleißig in der Abgeschiedenheit arbeiteten und die zu Beginn nichts weiter hatten als ihren Glauben…
Und heute? Wandelt die Gegend auf dem schmalen Grat zwischen Ruhm und Krise…
Heute ist man stolz auf die Mauerreste der Araber, auf die alte romanische Kirche in Siurana, die von der Christianisierung zeugt, auf die Spuren, die der Prior hinterlassen hat – von Scala Dei über die Außenstellen des Klosters in den Dörfern bis hin zu den Les Fites – den Grenzsteinen der einstigen Mönche. Man ist stolz auf die Revolutionäre von Porrera von einst, stolz auf die Zeugnisse des Bürgerkriegs im Kampf gegen die Franco-Faschisten, stolz auf den Gesang des Lluis Llach.
Man ist stolz auf die heute noch älteren Olivenbäume, stolz auf die autochthonen Reben des Priorats, stolz natürlich auf die Weine, von denen heute sogar Franzosen sagen, das diese zu den Besten der Welt gehören, stolz auf die katalanische Küche, die traditionell wie modern hier mit den Weinen der Region zur Hochform aufläuft.
Man ist aber auch stolz auf die schönen Naturräume im Naturpark Montsant, stolz auf gelebte Biodiversität in den Weinbergen, stolz auf die Priorat-Echse, die Ginsterkatze und die Artenvielfalt allgemein.
Die Jugend ist stolz auf die Alten, die lange ums Überleben kämpften, die Alten sind stolz auf die Jugend, die mit dem Wissen um ökologische Notwendigkeiten antritt als Bewahrer, zugleich aber als faire Sportler im „Kampf“ um die besten Weine…
Die logische Folge dieses Stolzes: …?
Die Region kämpft inzwischen um Anerkennung als Weltkulturerbe – das Dreigestirn: DOQ Priorat, DO und Naturpark Montsant und die Olivenöl-DO Siurana.
Verdient hätten es die Nachfahren der alten Mönche aus Burgund… Darauf einen Carignan… oder Samsó, wie die Katalanen ihn bezeichnen. Und wer nicht so recht weiß, welchen, der wird vielleicht auch im Weinangebot auf meinem Priorat-Hammer-Blog fündig.
PS: Hoffentlich kommt jetzt keiner und sagt: Der Priorat-Hammer hätte das Küssen vergessen…
Das holen wir dann nach – im Kulturerbe Priorat – mit einem guten Prioratwein. Am Besten dann aber auch in aller Ruhe. Über das Küssen müssen wir nicht extra reden – wir sollten es nur tun.
Jasmin Koch vom Blog Weinreich hat uns dieses schöne Weinrallye – Thema beschert.
Die Weinrallye ist… – ihr wisst schon… – das jeweils am letzten Freitag im Monat stattfindene Blogevent von Wein- und Foodbloggern in Zusammenarbeit mit dem Weinforum und der Facebookgruppe Weinrallye. Vielen Dank an Jasmin und alle anderen Mitschreiber.