Der Priorat – Hammer ist satt und zufrieden!
Dafür, dass es alles letztlich chaotisch und ungeplant zuging (was hatte ich vor einer Woche alles noch für grandiose Ideen…), kann ich mir mehr nicht wünschen…
Eigentlich gibt es für mich nur zwei Varianten, wie sich der kulinarische Abend gestalten kann – wenn es denn ein solcher werden soll…
Variante 1: Ich finde irgendwas in den Läden, auf den Märkten oder wo auch immer – meist ist es ein besonders ansprechendes Stück Fleisch, mich ob seiner Frische und Wertigkeit besonders ansprechendes Gemüse und leider hierzulande oft zu selten ein guter frischer Fisch. Manchmal (leider noch seltener) ein ganz spezieller Käse. Fisch und Käse sind dann oft eher Mitbringsel von unterwegs.
Dann koche ich schon mal gedanklich am Marktstand vor und besorge, was dazu sein muss und grad nicht vorhanden…
Daheim angekommen, geht es sofort in den Keller und da an die Trinkregale – und dann wird geguckt, was am vermeintlich Idealsten dazu passen könnte. Manchmal wird aber aus der Kopfgeburt eine Herzensangelegenheit und mitunter auch der bestmöglichste Kompromiß. Ja, ich gebe zu, manchmal ist es auch wie zur Bundestagswahl – nimm einfach das kleinere Übel…
In den Trinkregalen liegen so um die 90 Weine, davon muss dann was sein – aber wenn da grad 35 Prioratos auf die nächste Probe warten oder sich eine Horizontale 96er Bordeaux wie von Geisterhand zusammenstellt oder aber alle verfügbaren Weißen grad Traminer sind… – dann frage ich mich schon, ob ich immer noch nicht genug verfügbare Weine habe…
Von daher bevorzuge ich persönlich Variante 2: Ich gehe in den Keller und gucke, was da grad so weg müßte… – und dann rattert es im Kopf und sucht nach dem passenden Essen. Fällt mir was Passendes ein und ich habe alles dafür da, dann ist die Welt in Ordnung und ich folge meinem Tagwerk. Fehlt was, dann muss irgendwie zwischendrin eingekauft werden. Manchmal ist es auch nur der Versuch eines Einkaufs. Ja ausgerechnet heute gibt es nirgendwo Lammfilets… Zurück zu Variante 1, gehe über Los oder direkt ins Gefängnis…
Oder ich habe zum gefühlt 100sten Mal meinen einzigen georgischen Wein in der Hand und ich weiß beim besten Willen nicht, was man am besten zu exakt diesem Wein essen sollte. Internet Community fragen – oder Telefonjoker – aber der einzige mir namentlich bekannte Georgien – Experte ist direkt von Tiflis nach London geflogen und hat nur kurz über Jena seine Beute an georgischen Weinen abgeworfen. Die Rest – Community fällt wie die Geier drüber her und ich bin eh zu weit ab vom Schuß, um jenen noch zu hören, bevor das Tier nicht nur tot, sondern zerteilt und gar verspeist ist…
Dann doch ins Gefängnis, Steuererklärung machen, oder wegen der ungünstigen Mondphase lieber in die Sauna gehen und auf Wein verzichten – ach nee, da sind ja noch Reste… – die müssten auch weg…
Oder es ist wie heute – ausgerechnet heute – wo das Thema gepusht wird und ich EIGENTLICH gar keine Zeit habe, weil… – siehe Teil 1…
Dann wird improvisiert – in jeglicher Richtung – aber wenn es dann gut war, dann ist der Priorat – Hammer satt und zufrieden.
Und vergißt all die Nuffer ringsum und die Kälte und den nahenden Weltuntergang (für letzteres hab ich grad jetzt EIGENTLICH GAR KEINE ZEIT… – also verschiebt den Scheiß!)
Wie eben – wo es gab: Achtung, das ist jetzt völlig unspektakulär, aber es war dennoch gut…
Gegrilltes Lachsfilet auf Wirsingkartoffelbrei
Einfach nötige Menge Kartoffeln kochen und den Wirsing, der eh grad weg muss, in einem 2. Topf mit etwas Öl und Wasser schmoren.
Dem Wirsing etwas Kümmel, Majoran und Hexenkräutersalz beigeben, die Kartoffeln begnügen sich mit stinknormalem Salz.
Wenn die Kartoffeln gar sind, diese stampfen – mit etwas Creme Fraiche oder auch Milch.
Wenn der Wirsing gar ist, dann Feuer aus!
Kleinere Stücke von beidem haben Vorteile – der Wirsing passt dann später auf den großen Löffel (wenn man Restwut hat, können die Wirsingblätter auch gerissen werden statt gentlemenlike mit dem Messer zerschnitten), die Kartoffeln werden in kleinen Stücken schneller gar. Auch das sei der Möchtegernhausfrau unter 30 von heute – die ihre Diplomarbeit über das richtige „Erwärmen einer Tiefkühlpizza“ schreibt, einfach mal gesagt.
Am Ende ist es lediglich wichtig, dass man die klein gestampften Kartoffeln mit dem Wirsing vermengt und alles gut durchrührt.
Das Ganze dann portionsweise in Auflaufformen füllen. Darauf dann das von der Haut befreite Lachsfilet legen – manche Haustiere verspeisen jene Haut gern, also gucken, ob ein solches zur Hand ist – stinkt dann weniger im Mülleimer… Meine über alles geliebte Lucy allerdings ist heute penibel und möchte vom Lachs lieber, wenn er gar ist… aber natürlich so auf den Punkt, wie auch ich es gern mag… Also dann dabei bleiben, wenn das Zeug im Backofen mit Grillfunktion arbeitet.
Vorher gebe ich über den Fisch noch paar Anissamen, ein paar rote Pfefferkörner, etwas Kreuzkümmel, etwas Zitronenkräutersalz und eine Spur vom guten Olivenöl von Miro Cubells. Wenn alles wieder aus dem Ofen kommt, wird der Fisch mit ein paar Spritzern einer frischen Zitronenscheibe naß gemacht…
Der Lo Coster Blanc von Sangenis I Vaque aus 2007 ist nicht die schlechteste Wahl dazu – ein Chablis oder ein anderer Burgunder, der Holz gesehen hat, was grad nicht greifbar. Beim 2007er ist die Holznote im Begriff, zurück zu gehen und alles ist harmonisch zum Ganzen verwoben. Ich will hier gar nicht den Wein zergliedern, es gibt schon genug Notizen zu diesem Wein von mir. Es war übrigens Flasche N° 204 von 296 existenten. Ein paar davon gibt es noch zu 24 € das Stück in meiner Selektion – ich teile gern, obwohl ich wenigstens die getrunkene aus dem Privatbestand gern noch mal in eben diesen ersetze…
Erstaunlich war die Kombination mit dem Essen, ich hatte das Gefühl, dass dabei alles sehr gut in seine Einzelbestandteile zerfiel und geschmacklich alles sehr klar wurde, der Lachs schmeckte herrlich nach Lachs, der Wirsing hatte seinen Eigengeschmack wie auch der Kartoffelbrei und selbst die Gewürze kamen in ihrem Eigengeschmack schön raus, hier ein rotes Pfefferkorn, da ein Anissamen… Auch der Wein war immer er selbst bei jedem Schluck und machte dennoch nach dem Essen noch mehr Spaß als dazu…
Obschon ich dachte – ausgerechnet heute sei ich so gehetzt und unkonzentriert, waren die Sinne plötzlich hellwach und geschärft…
Und das innehalten machte Spaß, wie auch jetzt das Schreiben – und vor morgen früh, wenn das Auto beladen werden muss, hab ich auch nicht mehr so viel „Angst“.
Das Leben kann so schön sein, grad, wenn mal mal einfach so improvisiert…
Als letztes fragt Ihr euch sicher, bei welcher Temperatur das Ganze im Ofen gegrillt wurde?
Bei 180° natürlich…